Nähe, sie folgte ihm. Auf einmal riß sie ihn
heftig am Arm herum. Er stellte sich, als nehme
er es für einen Irrtum, einen Maskenscherz.
„Sie sind durchnäßt, mein Lieber“, sagte sie,
legte die feucht gewordene Hand an ihre Stirn,
„kommen Sie! Sie erkälten sich!“ Santo lag
schon ein Witz auf der Zunge, mit dem er sich
für ihre Sorge, die ihm ein wenig verspätet
vorkam, bitter bedanken wollte. Aber er nahm
sich vor, nichts zu sagen, was auch kommen
sollte, folgte ihr in ein Zimmer, breitete den
Rock über den Stuhl am Kamin und warf sein
Visier ins Feuer. Die Gräfin ließ ihre Über-
raschung nicht im geringsten merken, als sie
sein Gesicht sah, statt das des Fremden. Sie
leistete dem Schweigsamen mit herzhaftem
Lachen Gesellschaft,
half ihm das getrock-
nete Kleid wieder an-
ziehen, den Degen gür-
ten und zog ihn am Arm
in den Saal zurück in
einem Augenblick, als
der Graf eben unter der
Tür stand und die Szene
mit ansah. Er tauschte
einen Blick mit ihr, sie
ahnte seinen Verdacht,
war froh, ihren trübseligen Freund loszuwer-
den und ließ ihn stehen. Der Graf mißdeutete
den Vorgang abermals und ließ sich in eine
Unterhaltung mit Santo ein. „Wo haben Sie
sich so lange versteckt?“ Er erzählte, daß er
durchnäßt war und sich mit der Gräfin ans
Feuer gesetzt habe. Darauf drehte der Graf
sich auf dem Absatz um und ging weg ohne
ein Wort zu sagen.
Bald darauf sah man ihn Arm in Arm mit
einem betrunkenen Mönch an einem Tisch.
Sie tranken unmäßig, spielten, sangen ebenso
tolle als unpassende Lieder, vollbrachten ein
wüstes Geschrei. Der Graf schrie: „Ich w ill
mein Vermögen verspielen! Brauche den Dreck
nicht mehr!“ Wer ihn kannte, wunderte sich
nicht wenig über dieses unerhörte Betragen.
Viele verließen unauffällig den Saal. Die Gräfin
enthielt sich dem Getriebe, saß teilnahmslos
an einem dunklen Platz. Ihre geheime Auf-
merksamkeit galt dem Tisch, an dem der Graf
schrie und so tolle Kindereien anstellte, daß
sie sich schämte. Der Fremde, dessen Trun-
kenheit nichts war als der falsche Ausweg
seiner Gefühle, tat als hätte er für jeden Un-
sinn mehr Liehe, Zeit und Aufmerksamkeit
übrig, als für das, was ihm auf diesemFest allein
wert war, eine Hand zu rühren. Er nahm die
Kreide, als Cazalis sichnach einer Kartehückte,
und schrieb auf seinen Rücken „Narr“, zum
Gelächter der meisten, aber auch zum Schrecken
einiger der Zuschauer. Dabei entfiel ihm die
Kreide. Santo, der seine Ausgelassenheit be-
wunderte, hob sie auf, da einer darauftreten
wollte, und warf sie auf den Tisch, traf aber
in das Glas des Grafen, der eben danach langte.
Er sah sich um und frug ihn mit unangenehmem
Lachen, ob die Kreide vergiftet sei. „Dann
würde ich das Glas austrinken“ sagte Santo.
Dann sah man den
Grafen nicht mehr.
Kaum war aber von ihm
die Rede gewesen, da
stand er schon wieder
da. Er mußte gehört
haben, wie einer sagte:
„Er bürstet sich den
Rücken ab; hilft aber
nichts mehr“, denn er
lachte so fürchterlich,
daß es gegen das Lachen
am Tisch klang wie Donner unter Vogelzwit-
schern. Man wunderte sich über nichts mehr,
nahm alles für Scherz und Trunkenheit, ob-
gleich er nüchtern war wie ein Bergquell. Er
lief jetzt mehr als er ging durch denSaal, trat
seiner Gemahlin, die ihm entgegenhuschte, die
Schleppe ab, ohne es zu bemerken und sprang
auf einen vollbesetzten Tisch in der Mitte. Die
Musik brach auf sein Zeichen ab und man hörte
ihn sagen: „Meine Damen und Herren! Ich
lasse, wenn es ihnen recht ist, die Fenster und
Türen öffnen und ein wenig frische Luft herein.
Es ist mir zu schwül hier.“ Er schlug sich mit
der Faust auf die Brust. „Zugleich lasse ich die
Kerzen löschen, mag dann jeder machen, was
er will und für gut hält. Ich mache es auch
so.“ Die hohen Fenster sprangen auf, ein Wind-
stoßfuhr in den Saal, stäubte Regen herein und
schlug einen der Flügel an die Wand, daß die
Scherben herabklirrten. Die Kerzen waren
ausgelöscht, ehe man noch sah, durch wen und
wie, und auf den unsinnigen Jubel, der den
V^orten des Grafen gefolgt vrar, blieb es eine
heftig am Arm herum. Er stellte sich, als nehme
er es für einen Irrtum, einen Maskenscherz.
„Sie sind durchnäßt, mein Lieber“, sagte sie,
legte die feucht gewordene Hand an ihre Stirn,
„kommen Sie! Sie erkälten sich!“ Santo lag
schon ein Witz auf der Zunge, mit dem er sich
für ihre Sorge, die ihm ein wenig verspätet
vorkam, bitter bedanken wollte. Aber er nahm
sich vor, nichts zu sagen, was auch kommen
sollte, folgte ihr in ein Zimmer, breitete den
Rock über den Stuhl am Kamin und warf sein
Visier ins Feuer. Die Gräfin ließ ihre Über-
raschung nicht im geringsten merken, als sie
sein Gesicht sah, statt das des Fremden. Sie
leistete dem Schweigsamen mit herzhaftem
Lachen Gesellschaft,
half ihm das getrock-
nete Kleid wieder an-
ziehen, den Degen gür-
ten und zog ihn am Arm
in den Saal zurück in
einem Augenblick, als
der Graf eben unter der
Tür stand und die Szene
mit ansah. Er tauschte
einen Blick mit ihr, sie
ahnte seinen Verdacht,
war froh, ihren trübseligen Freund loszuwer-
den und ließ ihn stehen. Der Graf mißdeutete
den Vorgang abermals und ließ sich in eine
Unterhaltung mit Santo ein. „Wo haben Sie
sich so lange versteckt?“ Er erzählte, daß er
durchnäßt war und sich mit der Gräfin ans
Feuer gesetzt habe. Darauf drehte der Graf
sich auf dem Absatz um und ging weg ohne
ein Wort zu sagen.
Bald darauf sah man ihn Arm in Arm mit
einem betrunkenen Mönch an einem Tisch.
Sie tranken unmäßig, spielten, sangen ebenso
tolle als unpassende Lieder, vollbrachten ein
wüstes Geschrei. Der Graf schrie: „Ich w ill
mein Vermögen verspielen! Brauche den Dreck
nicht mehr!“ Wer ihn kannte, wunderte sich
nicht wenig über dieses unerhörte Betragen.
Viele verließen unauffällig den Saal. Die Gräfin
enthielt sich dem Getriebe, saß teilnahmslos
an einem dunklen Platz. Ihre geheime Auf-
merksamkeit galt dem Tisch, an dem der Graf
schrie und so tolle Kindereien anstellte, daß
sie sich schämte. Der Fremde, dessen Trun-
kenheit nichts war als der falsche Ausweg
seiner Gefühle, tat als hätte er für jeden Un-
sinn mehr Liehe, Zeit und Aufmerksamkeit
übrig, als für das, was ihm auf diesemFest allein
wert war, eine Hand zu rühren. Er nahm die
Kreide, als Cazalis sichnach einer Kartehückte,
und schrieb auf seinen Rücken „Narr“, zum
Gelächter der meisten, aber auch zum Schrecken
einiger der Zuschauer. Dabei entfiel ihm die
Kreide. Santo, der seine Ausgelassenheit be-
wunderte, hob sie auf, da einer darauftreten
wollte, und warf sie auf den Tisch, traf aber
in das Glas des Grafen, der eben danach langte.
Er sah sich um und frug ihn mit unangenehmem
Lachen, ob die Kreide vergiftet sei. „Dann
würde ich das Glas austrinken“ sagte Santo.
Dann sah man den
Grafen nicht mehr.
Kaum war aber von ihm
die Rede gewesen, da
stand er schon wieder
da. Er mußte gehört
haben, wie einer sagte:
„Er bürstet sich den
Rücken ab; hilft aber
nichts mehr“, denn er
lachte so fürchterlich,
daß es gegen das Lachen
am Tisch klang wie Donner unter Vogelzwit-
schern. Man wunderte sich über nichts mehr,
nahm alles für Scherz und Trunkenheit, ob-
gleich er nüchtern war wie ein Bergquell. Er
lief jetzt mehr als er ging durch denSaal, trat
seiner Gemahlin, die ihm entgegenhuschte, die
Schleppe ab, ohne es zu bemerken und sprang
auf einen vollbesetzten Tisch in der Mitte. Die
Musik brach auf sein Zeichen ab und man hörte
ihn sagen: „Meine Damen und Herren! Ich
lasse, wenn es ihnen recht ist, die Fenster und
Türen öffnen und ein wenig frische Luft herein.
Es ist mir zu schwül hier.“ Er schlug sich mit
der Faust auf die Brust. „Zugleich lasse ich die
Kerzen löschen, mag dann jeder machen, was
er will und für gut hält. Ich mache es auch
so.“ Die hohen Fenster sprangen auf, ein Wind-
stoßfuhr in den Saal, stäubte Regen herein und
schlug einen der Flügel an die Wand, daß die
Scherben herabklirrten. Die Kerzen waren
ausgelöscht, ehe man noch sah, durch wen und
wie, und auf den unsinnigen Jubel, der den
V^orten des Grafen gefolgt vrar, blieb es eine