«ins gewesen wäre. Die schrecklichen Er-
zählungen des Kastellans gewannen Gestalt.
Don Lorenzos Geist erfüllte unsichtbar die
Dinge um uns mit der grausamen Rachsucht,
die ihm im Leben zu eigen gewesen war. Ich
fühlte, wie seine und Michaels Leidenschaft
zum letzten Ringen ansetzten, und ohne körper-
lich etwas zu hören, vernahm doch mein Hirn,
das in Flammen stand, wie durch Wände und
Decke, durch Mörtel und Stein ein tiefes Atem-
holen des Ermordeten rieselte, indes der Mond
sein hohles Licht mit dem der Lampe mengte.
Ich wäre lieber in aussichtslosem Gefecht
neben unserer riesengroßen Decklaterne ge-
standen.
^Vährend so der Kapitän gegen die Wand
ankämpfte, sah ich, wie im lichten Viereck des
Fensters langsam eine dunkle Masse empor-
stieg. Es war der Wipfel der Föhre, die als
anschwellendes Gebilde in meinem Blick
wuchs. „Michael“, stöhnte ich. Jetzt sah er's
auch und entriß mir mit einem Fluch das Pistol.
Ehe ich ihn hindern konnte, hatte er es im
Anschlag und feuerte gegen das seltsame
Wesen. Der neue Granatstein, den ich tags
zuvor in den Hahn gefügt hatte, tat seine
Schuldigkeit.
Furchtbar in dem engen Raum zurückge-
worfen, donnerte Michaels Schuß. Der Feuer-
strahl fuhr gegen die
Scheibe. Sie klirrte, wie
das Geschoß sie durch-
schlug, und mächtiger
Pulverqualm füllte die
Stube.
Aber als sei durch
dieseTat der Mond ver-
löscht worden, stan-
den wir sprunghaft vor
einem ganz verfinster-
ten Fenster. „Was ist
das?“ schrie ich und
hob die Laterne auf.
Die Dampfschwaden
rollten hin und wieder.
Durch sie hindurch
aber bemerkte ich nun, daß die Föhre schon
ihre Aste an das Glas preßte. Sie waren
nicht mehr ruhig, wie sie vorher geschienen
hatten. Schlangenhaft krümmte und rollte sich
das lichtbraune Holz vor und zurück, und
selbst in den lichten, langen Nadeln war ein
Zittern, als hätten sie als Finger dieses ent-
setzlichen Baumes Leben. Sie lehnten sich an
die Scheiben. Sie versuchten diese überall zu
durchstoßen. Und das geschah, indem das Glas
wie eine zähflüssige Masse ihrem Drängen
nachgab und sich nach innen beulte. Durch
das runde Loch aber, das die Pistolenkugel
geschlagen hatte, war schon ein dünner Zweig
geschlüpft und senkte sich immer weiter in
das Zimmer herein.
Der Kapitän stand am Bettende, in der einen
Hand das rauchende Pistol, die andere in das
Holz gekratzt, so daß alles Blut, das ihm aus
dem Gesicht gewichen war, aus diesen Fingern
hervorzutropfen schien. Schon verkündete ein
feines, dünnes Knistern, daß die Fensterschei-
ben dem Drucke nicht mehr standhielten und
bersten wollten. Mit schweren Knien taumelte
ich nochmals gegen die Türe. Ich weiß nicht,
ob sie sich geöffnet hat oder irgendein Spuk
mich durch das öde Schloß hetzte, bis ich im
Hof beim Springbrunnen zusammenbrach.
Dort fanden mich am andern Morgen die
Gefährten. Man mußte mit Pulver sich den
Weg zu Michaels Zimmer sprengen. Er lag
tot auf dem Himmelbett. Keine noch so ge-
ringe Spur hätte auf das Geschehnis der
Nacht gedeutet, wo nicht eine zarte Föhren-
nadel, die in der Ge-
gend des Herzens in
seiner Brust stak. MVir
verlosten mit Würfeln
die zehn kostbaren
Ringe, die als Anden-
ken an die zehn aben-
teuerlichsten Raub-
fahrten an seiner Hand
staken, den Smaragd
des Bischofs von
Valona, den Rubin
der Herzogin von Acra
und all die andern.
Dann begruben wir un-
sern Kapitän und war-
fen ihm als Leichenfeier
die Brandfackel in das verfluchte Gebäude.
Da eben damals Windstille war, lag
unsere Galeone noch drei Tage in dem
Glutschein, den das Feuer weithin über das
Meer malte.
5
zählungen des Kastellans gewannen Gestalt.
Don Lorenzos Geist erfüllte unsichtbar die
Dinge um uns mit der grausamen Rachsucht,
die ihm im Leben zu eigen gewesen war. Ich
fühlte, wie seine und Michaels Leidenschaft
zum letzten Ringen ansetzten, und ohne körper-
lich etwas zu hören, vernahm doch mein Hirn,
das in Flammen stand, wie durch Wände und
Decke, durch Mörtel und Stein ein tiefes Atem-
holen des Ermordeten rieselte, indes der Mond
sein hohles Licht mit dem der Lampe mengte.
Ich wäre lieber in aussichtslosem Gefecht
neben unserer riesengroßen Decklaterne ge-
standen.
^Vährend so der Kapitän gegen die Wand
ankämpfte, sah ich, wie im lichten Viereck des
Fensters langsam eine dunkle Masse empor-
stieg. Es war der Wipfel der Föhre, die als
anschwellendes Gebilde in meinem Blick
wuchs. „Michael“, stöhnte ich. Jetzt sah er's
auch und entriß mir mit einem Fluch das Pistol.
Ehe ich ihn hindern konnte, hatte er es im
Anschlag und feuerte gegen das seltsame
Wesen. Der neue Granatstein, den ich tags
zuvor in den Hahn gefügt hatte, tat seine
Schuldigkeit.
Furchtbar in dem engen Raum zurückge-
worfen, donnerte Michaels Schuß. Der Feuer-
strahl fuhr gegen die
Scheibe. Sie klirrte, wie
das Geschoß sie durch-
schlug, und mächtiger
Pulverqualm füllte die
Stube.
Aber als sei durch
dieseTat der Mond ver-
löscht worden, stan-
den wir sprunghaft vor
einem ganz verfinster-
ten Fenster. „Was ist
das?“ schrie ich und
hob die Laterne auf.
Die Dampfschwaden
rollten hin und wieder.
Durch sie hindurch
aber bemerkte ich nun, daß die Föhre schon
ihre Aste an das Glas preßte. Sie waren
nicht mehr ruhig, wie sie vorher geschienen
hatten. Schlangenhaft krümmte und rollte sich
das lichtbraune Holz vor und zurück, und
selbst in den lichten, langen Nadeln war ein
Zittern, als hätten sie als Finger dieses ent-
setzlichen Baumes Leben. Sie lehnten sich an
die Scheiben. Sie versuchten diese überall zu
durchstoßen. Und das geschah, indem das Glas
wie eine zähflüssige Masse ihrem Drängen
nachgab und sich nach innen beulte. Durch
das runde Loch aber, das die Pistolenkugel
geschlagen hatte, war schon ein dünner Zweig
geschlüpft und senkte sich immer weiter in
das Zimmer herein.
Der Kapitän stand am Bettende, in der einen
Hand das rauchende Pistol, die andere in das
Holz gekratzt, so daß alles Blut, das ihm aus
dem Gesicht gewichen war, aus diesen Fingern
hervorzutropfen schien. Schon verkündete ein
feines, dünnes Knistern, daß die Fensterschei-
ben dem Drucke nicht mehr standhielten und
bersten wollten. Mit schweren Knien taumelte
ich nochmals gegen die Türe. Ich weiß nicht,
ob sie sich geöffnet hat oder irgendein Spuk
mich durch das öde Schloß hetzte, bis ich im
Hof beim Springbrunnen zusammenbrach.
Dort fanden mich am andern Morgen die
Gefährten. Man mußte mit Pulver sich den
Weg zu Michaels Zimmer sprengen. Er lag
tot auf dem Himmelbett. Keine noch so ge-
ringe Spur hätte auf das Geschehnis der
Nacht gedeutet, wo nicht eine zarte Föhren-
nadel, die in der Ge-
gend des Herzens in
seiner Brust stak. MVir
verlosten mit Würfeln
die zehn kostbaren
Ringe, die als Anden-
ken an die zehn aben-
teuerlichsten Raub-
fahrten an seiner Hand
staken, den Smaragd
des Bischofs von
Valona, den Rubin
der Herzogin von Acra
und all die andern.
Dann begruben wir un-
sern Kapitän und war-
fen ihm als Leichenfeier
die Brandfackel in das verfluchte Gebäude.
Da eben damals Windstille war, lag
unsere Galeone noch drei Tage in dem
Glutschein, den das Feuer weithin über das
Meer malte.
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