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Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 1.1919

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Dreizehntes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.29026#0316
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blicke gehöhlt, als hielte sie einen Apfel) und
mit gebundenstem Willen stellte ich mir vor,
dal? ich sein Herz mit meiner Hand zerdrücke,
und dai? er im gleichen Augenblicke, mit dem
Gesicht voran, klatschend die Stiege hinunter-
falle. --
Ich sah noch, wie er zwei leichte Schritte
abwärts machte, beim dritten Schritte das linke
Knie einknickte, ein Ruck durch seinen Ober-
körper lief und er mit aufgeworfenen Armen
nach vorne über die Stiege stürzte.
Weil? nur noch, dal? einige grauenhaft
schrien, habe nur noch den Eindruck eines
starken Schwankens der Windlichter mit
langem Schatten werfen, sonst aber weil? ich

nicht mehr, was geschehen. Als ich erwachte,
lag ich auf dem Di wan in einem großen Saal und
starrte nur etwas verwundert in die großen,
lichtfunkelnden Venezianer Glaslüster.
Herr Staatsanwalt! Der Gerichtsarzt hat eine
falsche Todesursache angegeben! Der Schädel-
bruch ist wohl Folge des Sturzes, doch früher
muß der Herzschlag eingetreten sein! Entweder
hat der Arzt dieLeiche nur oberflächlich unter-
sucht, oder waren Schädelbruch und Herz-
schlag so rasch aufeinandergefolgt, daß ein ge-
naues Feststellen der Todesursache nicht mög-
lich war.
Doch sei es wie immer, ich bin schuldig und
lege das Geständnis meiner Schuld ab. Ich stelle
mich und bitte, über mich zu verfügen.

MONDSÜCHTIG
Von Karl Hans Strobl

Da sang der Mond die grüne Glitzerweise
Und alles wurde märchenhaft und fremd.
Es sog an mir. Und ich erhob mich leise . . .
Da waren Türen ... Stufen ... Silberkreise.. —
Stand auf dem Dache. Barfuß und im Hemd.
Stand auf demDache. Stand auf kaltenSchiefern.
Mein Nachbar war ein alter Wetterhabn.
Der konnte nur ein sprödes Kreischen liefern.
Doch sah ich diesen Hahn in einem tiefem
Symbolisch ausgelegten Sinne an.
Da standen wir vom Mondlicht über flössen
Und konnten doch von diesem Dach nicht
fort.
Denn aller Glanz, der durch die Nacht ergossen.
Beflügelte uns nicht. Und als Genossen
Verband uns zwei der Bann von Zeit und
Ort.

Wie man auch goethet, heint, annette- drostet.
Am Ende unsrer Wege klafft das Grab —
Das Leben hat das Leben uns gekostet.
Und auch der beste Wetterhahn verrostet.
Und eines schönen Tages bricht er ab.
Wir stehn in Schauern von Unendlichkeiten,
In denen unsre Sehnsucht sich verliert.
Wir sehn von Dächern in beglänzteWeiten —
Nur hat die Blechnatur die guten Seiten,
Daß es sie niemals an den Beinen friert.
Mich friert s. Ich kriech zurück in meine
Kammer.
Es wandelt sich der Drang und Seelensturm
In einem großen Mehiwurmtopf voll Jammer.
Ins Mondlicht sprech ich leis: „O Mensch —
o Chammer!" — — — — — — — — —
Im Bettgestelle tickt der Toten wurm.

R
 
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