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derte er ihn von sich, als auf sein lautes Rufen
hin die schwarzen, nahasischen Sklaven vom
Palast heruntereilten, zu ihm und zu Met-em-
het, die leblos im Sande lag. Auch jetzt ist es
ihm, als müsse er die verfluchte Waffe weit
von sich schleudern, aber ihr Griff liegt wie
festgeschmiedet in seiner Faust.
Ringsum sinkt wieder alles zurück in die
tiefe Stille, der Schritt des Aufsehers, des
Mannes mit der satanischen Affenphysiogno-
mie, ist wieder verhallt. Ferne tönt plötzlich
eine Glocke — das Zeichen, dal? das Museum
geschlossen wird. Der Student hört nicht
darauf.
Die verschleierte Lampe brennt fast gar
nicht mehr, es wird dunkel in dem Saal. Nur
das Licht einer Stral?enlaterne leuchtet durch
das hochgelegene Fenster, an das der Regen
schlägt. Der Schein der Laterne fällt auf das
Mumiengesicht, auf Met-em-hets Gesicht, das
Urban Dal einst, Vorjahrtausenden, so oft ge-
kül?t.
Es mul? ein wildes Wetter draußen sein,
denkt der Student. Der Regen klatscht und
rauscht an die Fenster, er rauscht lauter und
lauter. Nur diesesWasserrauschen hört Urban
Dal, und es wird ihm mit einem Male zum
Rauschen des großen Stromes. Wieder ver-
sinkt alles um ihn, die Gegenwart ist tot.
Es ist Nacht und die Sterne funkeln, Wa-
heb-re, _ der Student weiß, er selbst istWa-
heb-re, — geht amWasser entlang, ein warmer
Wind weht von der lybischen Wüste her. Fern
liegt die schwarze Silhouette des Schlosses
an dem schwarzblauen Himmel, der besät
ist mit funkelnden Sternen, und von keinem
Hauche bewegt stehen
die hohen Wipfel
der Palmen. Der Mond
schwimmt über dem
Horizont und spinnt
ein silbernes Netz über
dieWasser des heiligen
Stromes. Eine Gestalt
löst sich von Imhoreps
Palast und schreitet
zum Ufer hinab. Sie
tritt aus dem Schatten
des Gebäudes, ihr hel-
les, wallendes Gewand
leuchtet durch die

Mondnacht, Wa-heb-re beschleunigt seine
Schritte. Dort drüben auf dem Nil blähen sich
die Segel einer Barke, die Laterne leuchtet wie
ein Glühwurm am Mast. Nun landet sie am
Ufer, ein Mann steigt aus und nähert sich Met-
em-het.
Der Student hockt in sich zusammenge-
sunken. mit weit aufgerissenen Augen starrt
er ins Dunkel. Kälte durchschauert seine Glie-
der und der Modergeruch der Grabkammer
raubt ihm fast den Atem.
Er weiß kaum mehr etwas von sich selbst.
Ihm ist es, als schreie er selbst laut und wild
auf, Met-em-hets Leiche liegt im Sand zu seinen
Füßen und der Mörder will dort entfliehen.
Aber kommt er nicht eben jetzt wieder auf
seiner Barke? Leuchtet dort nicht noch immer
die Laterne am Mast? Urban Dahl späht durch
die finsteren Säle, ein Licht kommt schwankend
zu ihm heran, eine Hand packt seine Schulter
und eine rauhe Stimme sagt Worte, deren
Sinn er nicht versteht. Jäh zerreißt die Vision
und Urban Dal fährt empor, dicht vor sich
erblickt er des Aufsehers Gesicht. Ein jähes
Entsetzen packt ihn plötzlich, ein furchtbares
Erkennen steigt in ihm auf. Es ist, als wenn
ein Blitzstrahl bis in alle Tiefen seines Daseins
flammte. Er schreit auf, denn mit schrecklicher
Deutlichkeit erkennt er, das Antlitz vor ihm,
das ist Mnevis, des Mörders Gesicht. Ohne
sich zu besinnen, hebt er den Dolch und stößt
zu. Der Museumsaufseher fällt lautlos, wie
ein Sack, zu Boden, klirrend zerschellt die
Laterne auf den Fliesen. Und in ihrem letzten
Flackern erhellt sie Met-em-hets traurig
lächelndes Mumiengesicht.
Der Student fährt
auf wie aus einem
furchtbaren Traum. Er
siebt auf die Mumie,
deren Umrisse kaum
noch in der Dunkel-
heit zu erkennen sind
und auf die leblose
Gestalt des Mannes
zu seinen Füßen. Dann
geht er langsam, mit
schleppenden Schrit-
ten durch die Säle und
tritt in die stürmische
Novembernacht hinaus.
 
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