Francisco Goya
höhnisch: „Weit gefehlt! Weit gefehlt!“
Dann zog er ah.
„Aber — sieh. Liebste — der Wein ist ja
nun wirklich sehr gut“, sagte der Mann mit
einer fast tonlosen Stimme, die ihn selbst ver-
wunderte.
Sie ai?en von den Speisen, und er schenkte
in die Gläser. Weinblütenduft stieg auf —
kleine Bläschen zersprangen —Jtühler Stein-
duft — Weinduft —.
,?Weii?t du, dal? der Wein — solcher der
richtig auf Flaschen gezogen wurde und doch
nicht eigentlich mehr lebt — solcher auch, der
Jahre und Jahrzehnte gelagert hat, dal? der
blühen kann? Ja, man nennt es so: Der
Wein blüht. Und dann treiben kleine sonder-
bare Unklarheiten in ihm herum, und sein Duft
ist stärker noch als zuvor. Wer es nicht weil?,
dal? dieser Wein blüht, glaubt wohl, ihm
wäre ein schlechter, trüber Wein vorgesetzt
worden. Aber der wundervolle Geschmack,
wenn er ihn trinkt, will dann gar nicht zu
diesem Vorurteil stimmen?
„Blüht dieser Wein?“
,Ja — mir scheint wohl — er blüht.“
„Und hat doch jahre- und vielleicht jahr-
zehntelang gelagert? War tot — und ist nun
— ja ist nun gleichsam auferstanden — oder
nur — was meinst du? — geht er vielleicht
nur so als Geist um?“
„\Vollten doch alle Geister so sein — so
duftend — so voll prickelnden Lebens — so
sül?, wie dieser Geist des Lacrimae — — —.“
Er zögerte ein wenig. „Lacrimae Christi“
hatte er sagen wollen, aber seine Zunge stockte
und schlug gegen den Gaumen.
„ . . . . exorcistati“, klang es, leise wie ein
Windhauch und doch deutlich, so dal? sie
beide es verstanden.
Sie lauschten beide — in Entsetzen ver-
stummt. Dann sagte die Frau.
„Nein, du. Hier ist es unheimlich. Wir
wollen hineingehen.“
,Ja. Lai?uns hineingehen. Das Zimmer war
hübsch und behaglich. Aber hör: es waren
die Lindenäste — hör doch: nun knarren sie
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