würde sich entsetzen, ein Grauen müßte sie befal-
len, sie würde glauben, er sei wahnsinnig — ja,
war er es denn nicht, war dies Unterfangen nicht
W ahnsinn? V/ arum hatte er daran nicht früher
gedacht, warum hatte er das getan? Nur an ihre
Sehnsucht, an sein Opfer, nein, nur an sein Opfer
hatteer gedacht, und was für ein Held er wäre,
und wie sie ihn bewundern müßte — Eitelkeit —
N arr du, verfluchter Narr, entrang sich's seinen
Lippen. Es war umsonst, vergeblich, ihr konnte
er die Kapseln nicht schicken. Wohin damit?
Er tastete sich zum Kamin und ließ sich in den
tiefen Lederstuhl gleiten, der da stand. Da hatte
er manche Stunde verträumt, in die erlöschenden
Gluten starrend. Die zwei Kapseln hingen an
dem Kettchen, das sie verband über seinem
Finger und schlugen gegeneinander, mit einem
eigenen, bleiernen Ton. Er streckte die Hand
aus, bis er an der Wärme fühlte, daß sie über
der Glut war, dann ließ er die Kette langsam,
langsam vom Finger gleiten, beugte sich tief
hinunter zum Rost und lauschte angestrengt
in das Knistern — da — ein mattes Blaffen,
jetzt war wohl eine der Kapseln geplatzt, das
Weiße quoll heraus, schleimig und glasig, ver-
kohlte an der Hitze, sonderbare Blasen treibend,
sich windend und krümmend, wie etwas Le-
bendes.— Er legte die fiebernde Stirn auf das
kühle Leder der Armlehne. Sonderbar, daß er
fast gar keinen Schmerz verspürte, ja, das war
das Morphium. Morphium — ein mattes Lä-
cheln überspielte seine Züge, er tastete sich zu-
rück zum Tisch — da war die Spritze — Mor-
phium, flüsterte er vor sich hin, Morphium . . .
All ihre Briefe kamen als unbestellbar zurück,
sie hörte nie wieder etwas von ihm. Er war
wie verschollen. Und manchmal noch dachte
sie, was er für schöne Augen hatte.—
MARITSA
Ein Gedickt in Prosa von Geoffrey Sepkton
(aus dem Engliscken ükertragen von M. Pokorny). Mit 3 Zeicknungen von M. L. Mammen.
EIN furchtbares Unglück ist über mich
hereingebrochen, einer jener Schicksals-
schläge, die alles zermalmen, Herz und Seele.
Meine arme kleine Maritsa ist tot; meine
kleine blütenzarte Maritsa. Sie, deren zärt-
liche Stimme, deren weicher roter Mund, deren
frommes Engelsgesichtchen mich zurückhielten
von den Pfaden der Trunksucht und des Ver-
brechens.
Ich war arm. Mein Gott, wie arm war ich
doch! Niemand wollte meine Werke lesen.
Die Verleger lachten darüber oder sendeten
mir die Manuskripte ungelesen zurück. Und
also trank ich und lebte und lachte und trach-
tete zu vergessen. Aber ich konnte nicht. Ich
wußte, das Ende sei nicht mehr fern. Meine
Taschen waren ganz leer, und seit vielen Stun-
den hatte ich keine Nahrung mehr berührt.
Und dann begegnete ich Maritsa. Ich begeg-
nete ihr im Atelier eines Freundes. Er lud mich
ein — wie er sagte, damit ich seine Gemälde
anschaute. Aber ich meine, er tat es, weil er
wußte, daß ich hungrig sei und zu stolz, ihn aa-
zubetteln. Wie dem auch sei, ich ging. Ich
ging, um die Schönheit zu schauen von Ange-
sicht. Und ich sah . . .
IO
len, sie würde glauben, er sei wahnsinnig — ja,
war er es denn nicht, war dies Unterfangen nicht
W ahnsinn? V/ arum hatte er daran nicht früher
gedacht, warum hatte er das getan? Nur an ihre
Sehnsucht, an sein Opfer, nein, nur an sein Opfer
hatteer gedacht, und was für ein Held er wäre,
und wie sie ihn bewundern müßte — Eitelkeit —
N arr du, verfluchter Narr, entrang sich's seinen
Lippen. Es war umsonst, vergeblich, ihr konnte
er die Kapseln nicht schicken. Wohin damit?
Er tastete sich zum Kamin und ließ sich in den
tiefen Lederstuhl gleiten, der da stand. Da hatte
er manche Stunde verträumt, in die erlöschenden
Gluten starrend. Die zwei Kapseln hingen an
dem Kettchen, das sie verband über seinem
Finger und schlugen gegeneinander, mit einem
eigenen, bleiernen Ton. Er streckte die Hand
aus, bis er an der Wärme fühlte, daß sie über
der Glut war, dann ließ er die Kette langsam,
langsam vom Finger gleiten, beugte sich tief
hinunter zum Rost und lauschte angestrengt
in das Knistern — da — ein mattes Blaffen,
jetzt war wohl eine der Kapseln geplatzt, das
Weiße quoll heraus, schleimig und glasig, ver-
kohlte an der Hitze, sonderbare Blasen treibend,
sich windend und krümmend, wie etwas Le-
bendes.— Er legte die fiebernde Stirn auf das
kühle Leder der Armlehne. Sonderbar, daß er
fast gar keinen Schmerz verspürte, ja, das war
das Morphium. Morphium — ein mattes Lä-
cheln überspielte seine Züge, er tastete sich zu-
rück zum Tisch — da war die Spritze — Mor-
phium, flüsterte er vor sich hin, Morphium . . .
All ihre Briefe kamen als unbestellbar zurück,
sie hörte nie wieder etwas von ihm. Er war
wie verschollen. Und manchmal noch dachte
sie, was er für schöne Augen hatte.—
MARITSA
Ein Gedickt in Prosa von Geoffrey Sepkton
(aus dem Engliscken ükertragen von M. Pokorny). Mit 3 Zeicknungen von M. L. Mammen.
EIN furchtbares Unglück ist über mich
hereingebrochen, einer jener Schicksals-
schläge, die alles zermalmen, Herz und Seele.
Meine arme kleine Maritsa ist tot; meine
kleine blütenzarte Maritsa. Sie, deren zärt-
liche Stimme, deren weicher roter Mund, deren
frommes Engelsgesichtchen mich zurückhielten
von den Pfaden der Trunksucht und des Ver-
brechens.
Ich war arm. Mein Gott, wie arm war ich
doch! Niemand wollte meine Werke lesen.
Die Verleger lachten darüber oder sendeten
mir die Manuskripte ungelesen zurück. Und
also trank ich und lebte und lachte und trach-
tete zu vergessen. Aber ich konnte nicht. Ich
wußte, das Ende sei nicht mehr fern. Meine
Taschen waren ganz leer, und seit vielen Stun-
den hatte ich keine Nahrung mehr berührt.
Und dann begegnete ich Maritsa. Ich begeg-
nete ihr im Atelier eines Freundes. Er lud mich
ein — wie er sagte, damit ich seine Gemälde
anschaute. Aber ich meine, er tat es, weil er
wußte, daß ich hungrig sei und zu stolz, ihn aa-
zubetteln. Wie dem auch sei, ich ging. Ich
ging, um die Schönheit zu schauen von Ange-
sicht. Und ich sah . . .
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