Und ich mul? schreiben — eine Ode an Ma-
ritsa. Ich höre sie singen. Ich höre die Stimme
bang klagender Flöten. Ich höre das plötzliche
Aufeinanderschlagen der Zimbeln. Jetzt
kommt sie, tanzend im Zwielicht, eingehüllt in
geheimnisvolle Schleier und immer vorwärts
weisend. Jetzt glitzert ihr Haar golden in der
Herdglut. Jetzt — ist sie fort.
Wenn ich nur schreiben könnte!
Mutter der Engel, deines Hauches Fächeln
berührt’ ihr Antlitz in des Todes Lächeln . . .
Oh, ich kann nicht! Ich kann nicht!
Jemand pocht. Mag er pochen. Ich öffne
nicht.
D er Vielgeliebten Seel' bette du
an deiner Brust zu heil’ger Himmelsruh.
Schon wieder dies
Pochen! Wie soll ich
da schreiben ?
Herrgott, sie haben
die Tür eingedrückt.
Die Narren! Sie
sagen,ichhätteMaritsa
getötet. Sie sind ver-
rückt. — Sie haben
mich hier eingeschlos-
sen. Ich verlangte
Papier, und sie gaben
mir’s. Warum sollte
ich Maritsa töten, die
ich liebte ? O, sie sind
verrückt. Rette mich,
Geliebte! Rette mich!
Komm zu mir. Viel-
leichtwerden sie mich
hängen. Oh, es ist nicht
wahr! Ich fürchte den
Todnicht. Aber solch
ein Tod würde mich von Maritsa trennen.
Wenn ich unter des Henkers Hand stürbe,
wäre meine Seele verloren, in das Land des
ewigen Zwielichts verbannt. Dann würde ich
Maritsa nicht begegnen, denn sie ist in der
Stadt der Sonne, vor deren Toren ein mäch-
tiges Flammenschwert zischend die Wasser
überspannt. Ich aber würde einherschleichen
im Tal der unbekannten Schatten, wo bleiche
Geister wohnen, schemengleich wie weiter
Rauch im Mondschein.
Ich möchte aber Maritsa wieder begegnen.
Ich möchte sie aufsteigen sehen einem silbernen
Halbmond gleich aus den saphirnen Tiefen des
V/eltgeheimnisses, wie die Schönheit sich gol-
den erhebt aus der See.
Ich möchte mit ihr den dunkelroten Wein der
Leidenschaft trinken; ihn trinken aus dem küh-
len Kelch von blassem Topas, den Mondsteine
umgürten; ihn trinken, während die Nachti-
gall im Zwielicht schluchzt.
Ha, ha, ich werde ihnen doch entkommen.
Ich werde mich töten. Ich werde nichts sagen,
— werde nur warten.
Ha, ha, wie muJ? ich lachen, wenn ich denke,
wie sie plappern und fluchen und umherstarren
werden, wenn sie mich tot auffinden. Sie hal-
ten sich für so weise. Was wissen sie vom
Leben — oder vom Tode? Sie haben nicht
die Stimmen der Engel
gehört — wie ich.
Ha, ha, wie zornig
werden sie sein!
Jemand kommt. Ich
mul? dies verstecken.
Rasch! Die grausamen
Arzte kamen. Sie
brachten mich zum
Sprechen. Sie hypno-
tisierten mich — so
sagten sie — und riefen
die Erinnerung an
Dinge wach, die ich
vergessen möchte.
Klare, kalte Gesichte
von dem, was ich ge-
tan, kamen mir.
Oh, warum ist die
Erinnerung so un-
barmherzig ? Wie viel
besser wäre es, zu ver-
gessen! Aber sie erlaubten das nicht.Sie zwangen
mich zu sprechen. Sie zerrten alles ms Leben
zurück, nur nicht — Maritsa.
Wäre es nicht besser, alles zu vergessen, bis
auf — Maritsa? Sie erbarmten sich meiner
nicht, sie erlaubten mir nicht auszuruhen. Sie
hypnotisierten mich also und zwangen mich zu
reden. Ich sprach und erzählte alles. Oh, wie
kalt sind Worte!
Es war so:
Ich schrieb eine Ode an Maritsa — an die
lebende, — das beste Werk, das jemals meiner
Feder entflossen. Ich wollte es nicht veröffent-
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ritsa. Ich höre sie singen. Ich höre die Stimme
bang klagender Flöten. Ich höre das plötzliche
Aufeinanderschlagen der Zimbeln. Jetzt
kommt sie, tanzend im Zwielicht, eingehüllt in
geheimnisvolle Schleier und immer vorwärts
weisend. Jetzt glitzert ihr Haar golden in der
Herdglut. Jetzt — ist sie fort.
Wenn ich nur schreiben könnte!
Mutter der Engel, deines Hauches Fächeln
berührt’ ihr Antlitz in des Todes Lächeln . . .
Oh, ich kann nicht! Ich kann nicht!
Jemand pocht. Mag er pochen. Ich öffne
nicht.
D er Vielgeliebten Seel' bette du
an deiner Brust zu heil’ger Himmelsruh.
Schon wieder dies
Pochen! Wie soll ich
da schreiben ?
Herrgott, sie haben
die Tür eingedrückt.
Die Narren! Sie
sagen,ichhätteMaritsa
getötet. Sie sind ver-
rückt. — Sie haben
mich hier eingeschlos-
sen. Ich verlangte
Papier, und sie gaben
mir’s. Warum sollte
ich Maritsa töten, die
ich liebte ? O, sie sind
verrückt. Rette mich,
Geliebte! Rette mich!
Komm zu mir. Viel-
leichtwerden sie mich
hängen. Oh, es ist nicht
wahr! Ich fürchte den
Todnicht. Aber solch
ein Tod würde mich von Maritsa trennen.
Wenn ich unter des Henkers Hand stürbe,
wäre meine Seele verloren, in das Land des
ewigen Zwielichts verbannt. Dann würde ich
Maritsa nicht begegnen, denn sie ist in der
Stadt der Sonne, vor deren Toren ein mäch-
tiges Flammenschwert zischend die Wasser
überspannt. Ich aber würde einherschleichen
im Tal der unbekannten Schatten, wo bleiche
Geister wohnen, schemengleich wie weiter
Rauch im Mondschein.
Ich möchte aber Maritsa wieder begegnen.
Ich möchte sie aufsteigen sehen einem silbernen
Halbmond gleich aus den saphirnen Tiefen des
V/eltgeheimnisses, wie die Schönheit sich gol-
den erhebt aus der See.
Ich möchte mit ihr den dunkelroten Wein der
Leidenschaft trinken; ihn trinken aus dem küh-
len Kelch von blassem Topas, den Mondsteine
umgürten; ihn trinken, während die Nachti-
gall im Zwielicht schluchzt.
Ha, ha, ich werde ihnen doch entkommen.
Ich werde mich töten. Ich werde nichts sagen,
— werde nur warten.
Ha, ha, wie muJ? ich lachen, wenn ich denke,
wie sie plappern und fluchen und umherstarren
werden, wenn sie mich tot auffinden. Sie hal-
ten sich für so weise. Was wissen sie vom
Leben — oder vom Tode? Sie haben nicht
die Stimmen der Engel
gehört — wie ich.
Ha, ha, wie zornig
werden sie sein!
Jemand kommt. Ich
mul? dies verstecken.
Rasch! Die grausamen
Arzte kamen. Sie
brachten mich zum
Sprechen. Sie hypno-
tisierten mich — so
sagten sie — und riefen
die Erinnerung an
Dinge wach, die ich
vergessen möchte.
Klare, kalte Gesichte
von dem, was ich ge-
tan, kamen mir.
Oh, warum ist die
Erinnerung so un-
barmherzig ? Wie viel
besser wäre es, zu ver-
gessen! Aber sie erlaubten das nicht.Sie zwangen
mich zu sprechen. Sie zerrten alles ms Leben
zurück, nur nicht — Maritsa.
Wäre es nicht besser, alles zu vergessen, bis
auf — Maritsa? Sie erbarmten sich meiner
nicht, sie erlaubten mir nicht auszuruhen. Sie
hypnotisierten mich also und zwangen mich zu
reden. Ich sprach und erzählte alles. Oh, wie
kalt sind Worte!
Es war so:
Ich schrieb eine Ode an Maritsa — an die
lebende, — das beste Werk, das jemals meiner
Feder entflossen. Ich wollte es nicht veröffent-
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