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einmal müssen sie sich getroffen haben. Seit
Hikopp einzog, saßen sie fast jeden Tag bei-
sammen.
Er war ein schrecklicher Mensch, dieser Hi-
kopp. Sie dürfen es mir glauben, ein roher
Kerl, ein Gewaltmensch und ein Trinker.
Jahrelang hatte er sich im Orient herum-
getrieben. Satanskünste — sie bekreuzte sich —
hat er dort gelernt. Mein Mann war wie fas-
ziniert von ihm, und ich merkte sehr bald, dal?
Hikopp den denkbar schlechtesten Einfluß auf
ihn hatte. Sie kennen Tobias und wissen, was
für ein Mensch er war; fügsam wie ein Lamm
und immer geduldig. Nie hörte ich von ihm
ein böses Wort, auch wenn ich selbst einmal
etwas heftig und ungeduldig war, so blieb er
still und suchte mich nur zu beruhigen.“
Sie sah mich an und ich nickte nur. Ich
wul?te, was für ein Lamm Tobias wirklich
gewesen war, und was er von diesem Drachen
erduldet hatte. Er muckte nie auf. Mochte er
auch innerlich kochen, er wagte kein Wort
des 'Widerspruches.—
„Einen schlechten Emflul? hatte dieser Hol-
länder auf den sanften Menschen. Tobias
war bisweilen wie verwandelt. Er fing an,
ein unordentliches Leben zu führen, und
wenn ich ihm das verwies, so murrte er. To-
bias Humbrugk! Halten Sie das für möglich ?“
Ich schüttelte nur schmerzlich bewegt den
Kopf. Ich hielt es wirklich nicht für möglich.
D azu hatte ich hier zu viel mit angesehen.
„Nun, so hören Sie weiter. Es war alles noch
erträglich, bis zu der Nacht, in der Frank Hi-
kopp starb. Vor einem Vierteljahr ist das pas-
siert. Einen Tag lag er nur krank und dann


war es mit ihm zu Ende. Und damals ist das
Entsetzliche passiert.“
Wieder schwieg sie, als wenn dieErinnerung
sie überwältigte.
„"Was geschah da?“ — fragte ich sie.
Sie sah mich einen Augenblick an mit dem
alten, bösen Blick, den Tobias so sehr gefürch-
tet hatte, dal? er weiches Wachs in ihren
Händen war. Aber dann senkte sie die Lider,
und ihre Stimme, die sich vorher schrill erho-
ben hatte, sank von neuem zu einem Flüstern
herab.
„Hören sie mich an“ — sprach sie — „ich will
ihnen genau erzählen, wie alles zuging. Es
war noch im Sommer, aber wir hatten ein ent-
setzliches Wetter mit Sturm und Regen. Eines
Abends hatte mein Mann bei Hikopp drüben
gezecht, es gab zwischen uns eine schreckliche
Szene, als er nach Hause kam. Am nächsten
Tag schlol? er sich von früh bis abends in sein
Zimmer ein, und erst am Abend ging er heraus,
als Hikopp sagen lief?, er sei krank. Er bat
Tobias, sofort zu ihm zu kommen, und mein
Mann ging auch sogleich hinüber. Ich wollte
Einwände dagegen erheben, da ich alles für ein
abgekartetes Spiel hielt, aber er hörte nicht
auf mich, und schien nicht übel Lust zu haben,
es auf eine neue Szene ankommen zu lassen.
Er war damals schon von Hikopp gegen mich
aufgehetzt. Ich wartete bis Mitternacht. Als
Tobias dann noch nicht zurück war, ging ich
selbst, ihn zu holen. Ich hatte nur den einen
Gedanken, dal? ich meinen Mann den Händen
dieses Satans entreißen müsse. So ging ich also
bei Nacht und Sturm über die Felder, und als
mich drüben der Diener — es war ein Schwar-
zer, den Hikopp mit aus dem Orient gebracht
hatte, nicht in das Haus lassen wollte — schob
ich ihn einfach auf die Seite und ging über die
Treppe hinauf in die Stube, in der dieser
Mensch angeblich krank lag. Ich hatte kaum
einen Blick ,auf den Holländer geworfen, da
sah ich schon, daß doch etwas an der Sache
war. Mein erster Eindruck war der, daß
Hikopp im Sterben liege. Mein Mann hielt den
Zeigefinger auf die Lippen, als ich eintrat, und
deutete mit der anderen Hand auf den Hollän-
der, der mit geschlossenen Augen in einem
hochlehnigen Stuhl saß, und dessen Gesicht
schon wachsbleich war. Eine kleine Lampe
brannte neben ihm und verbreitete nur eine

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