ganz schwache Helligkeit in der großen nied-
rigen Stube.
,Es geht ihm sehr schlecht* — flüsterte mir
Tobias zu.
Ich mul? gestehen, dal? ich mich darüber freute,
denn wenn der Alte starb, — so dachte ich
damals wenigstens — waren alle die Schwie-
rigkeiten mit meinem Manne, die ich so sehr
fürchtete, aus der Welt geschafft.
Jch werde bei ihm wachen* — sagte mein
Mann — ,er hat mich darum gebeten, ich soll
bei ihm bleiben, bis es zu Ende mit ihm ist. Er
weil?, dal? er sterben wird.*
Ich stand unschlüssig, ob auch ich bleiben
solle, und es fiel mir auf, dal? in der Stube ein
seltsamer Geruch herrschte. Er hatte etwas
durchdringend Sül?liches und doch zugleich
Scharfes. Mir ist es unmöglich, ihn mit irgend
etwas zu vergleichen, was ich jemals gerochen
hatte. Zugleich sah ich, dal? vor meinem Mann
ein Kelchglas auf dem Tische stand, das fast
geleert war. Nur zwei Finger breit etwa stand
noch über dem Boden des Glases eine mattblau
schimmernde Flüssigkeit, und mir wurde klar,
dal? diese es war, von der der Geruch ausging.
Tobias hatte nach den paar Worten, die er
bei meinem Eintreten sagte, nichts weiter ge-
sprochen, und jetzt sah er mich mit einem gla-
sigen, geistesabwesenden Blick an, der so seltsam
war, dal? mir das Herz schneller schlug. Ich
empfand dumpf, dal? hier etwas vorging, was
entsetzlich war, und dal? es sich um noch etwas
anderes als allein um den Tod dieses Frank
Hikopp handelte, der mir ganz gleichgültig ge-
wesen wäre. Es war in dem Zimmer so still,
dal? man nichts hörte als das Ticken der Wand-
uhr und die schweren, kurzen Atemzüge des
sterbenden Holländers. Draußen klatschte der
Regen an die Fensterscheiben, und ein wilder
Sturm rüttelte an ihnen. Fauchend und heulend
wie ein wildes Tier, tobte er um das einsame
Haus und mit immer neuer Wucht wiederholte
er seine Angriffe. Einmal schien es, als ob er
innehalte, wie wenn ihm der Atem ausgegangen
wäre. Da hob Frank Hikopp plötzlich die
schweren Augenlider und sah mit einem langen
Blick zu mir herüber. Ich wußte, daß mich
der Alte gehaßt hatte, seitdem er mich kannte,
einmal war es sogar zu einer bösen Auseinander-
setzung zwischen uns gekommen, als er mir
vorwarf, ich beraubte meinen Mann seiner
Freiheit. Damals hatte ich in seinem Gesicht
einen Zug des Hasses gesehen, wie sonst noch
nie bei einem Menschen — aber das, was ich
jetzt sah, war noch mehr. Er sah mich an wie
der Satan, und einen Augenblick glaubte ich,
er sei überhaupt nicht krank. Sein massiges und
doch scharf geschnittenes Gesicht — o Herr,
was war das für ein Gesicht! Es verfolgt mich
noch jetzt oft im Traum — war wie aus
Stein geschnitten, und die großen grauen Augen,
die ein wenig hervorstanden, glänzten und sahen
mich voll, durchdringend an. Dann nickte er
mir zu, als ob wir immer die besten Freunde
gewesen seien und lachte. Er lachte wirklich,
aber so, daß mir das Blut in den Adern stille
stehen wollte.
Der Sturm draußen brach mit neuer Wucht
los und stieg pfeifend durch den Schornstein
herab.
Jch werde dich zähmen, Susanna Hum-
brugk* — sagte er grinsend mit seiner harten
Stimme, die ich immer gefürchtet hatte, wenn
ich mir das auch nie merken ließ, — ,denk an
mich, Susanna, wenn ich gestorben bin.*
Der Zorn übermannte mich wie noch nie.
Ich vergaß, daß ich doch einen Sterbenden vor
mir hatte.
,*Was soll das?* — fuhr ich auf — ,was für
eine elende Komödie spielt ihr mir vor, ihr
Trunkenbolde. Sie sind betrunken, Hikopp,
und Sie sind zynisch genug, den Sterbenden
zu spielen, nur um ein wehrloses Weib be-
schimpfen zu können. Nehmen Sie sich in
Obacht vor mir.*
Mein Mann sah mich entsetzt an, denn ich
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rigen Stube.
,Es geht ihm sehr schlecht* — flüsterte mir
Tobias zu.
Ich mul? gestehen, dal? ich mich darüber freute,
denn wenn der Alte starb, — so dachte ich
damals wenigstens — waren alle die Schwie-
rigkeiten mit meinem Manne, die ich so sehr
fürchtete, aus der Welt geschafft.
Jch werde bei ihm wachen* — sagte mein
Mann — ,er hat mich darum gebeten, ich soll
bei ihm bleiben, bis es zu Ende mit ihm ist. Er
weil?, dal? er sterben wird.*
Ich stand unschlüssig, ob auch ich bleiben
solle, und es fiel mir auf, dal? in der Stube ein
seltsamer Geruch herrschte. Er hatte etwas
durchdringend Sül?liches und doch zugleich
Scharfes. Mir ist es unmöglich, ihn mit irgend
etwas zu vergleichen, was ich jemals gerochen
hatte. Zugleich sah ich, dal? vor meinem Mann
ein Kelchglas auf dem Tische stand, das fast
geleert war. Nur zwei Finger breit etwa stand
noch über dem Boden des Glases eine mattblau
schimmernde Flüssigkeit, und mir wurde klar,
dal? diese es war, von der der Geruch ausging.
Tobias hatte nach den paar Worten, die er
bei meinem Eintreten sagte, nichts weiter ge-
sprochen, und jetzt sah er mich mit einem gla-
sigen, geistesabwesenden Blick an, der so seltsam
war, dal? mir das Herz schneller schlug. Ich
empfand dumpf, dal? hier etwas vorging, was
entsetzlich war, und dal? es sich um noch etwas
anderes als allein um den Tod dieses Frank
Hikopp handelte, der mir ganz gleichgültig ge-
wesen wäre. Es war in dem Zimmer so still,
dal? man nichts hörte als das Ticken der Wand-
uhr und die schweren, kurzen Atemzüge des
sterbenden Holländers. Draußen klatschte der
Regen an die Fensterscheiben, und ein wilder
Sturm rüttelte an ihnen. Fauchend und heulend
wie ein wildes Tier, tobte er um das einsame
Haus und mit immer neuer Wucht wiederholte
er seine Angriffe. Einmal schien es, als ob er
innehalte, wie wenn ihm der Atem ausgegangen
wäre. Da hob Frank Hikopp plötzlich die
schweren Augenlider und sah mit einem langen
Blick zu mir herüber. Ich wußte, daß mich
der Alte gehaßt hatte, seitdem er mich kannte,
einmal war es sogar zu einer bösen Auseinander-
setzung zwischen uns gekommen, als er mir
vorwarf, ich beraubte meinen Mann seiner
Freiheit. Damals hatte ich in seinem Gesicht
einen Zug des Hasses gesehen, wie sonst noch
nie bei einem Menschen — aber das, was ich
jetzt sah, war noch mehr. Er sah mich an wie
der Satan, und einen Augenblick glaubte ich,
er sei überhaupt nicht krank. Sein massiges und
doch scharf geschnittenes Gesicht — o Herr,
was war das für ein Gesicht! Es verfolgt mich
noch jetzt oft im Traum — war wie aus
Stein geschnitten, und die großen grauen Augen,
die ein wenig hervorstanden, glänzten und sahen
mich voll, durchdringend an. Dann nickte er
mir zu, als ob wir immer die besten Freunde
gewesen seien und lachte. Er lachte wirklich,
aber so, daß mir das Blut in den Adern stille
stehen wollte.
Der Sturm draußen brach mit neuer Wucht
los und stieg pfeifend durch den Schornstein
herab.
Jch werde dich zähmen, Susanna Hum-
brugk* — sagte er grinsend mit seiner harten
Stimme, die ich immer gefürchtet hatte, wenn
ich mir das auch nie merken ließ, — ,denk an
mich, Susanna, wenn ich gestorben bin.*
Der Zorn übermannte mich wie noch nie.
Ich vergaß, daß ich doch einen Sterbenden vor
mir hatte.
,*Was soll das?* — fuhr ich auf — ,was für
eine elende Komödie spielt ihr mir vor, ihr
Trunkenbolde. Sie sind betrunken, Hikopp,
und Sie sind zynisch genug, den Sterbenden
zu spielen, nur um ein wehrloses Weib be-
schimpfen zu können. Nehmen Sie sich in
Obacht vor mir.*
Mein Mann sah mich entsetzt an, denn ich
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