Denn plötzlich wurde mir klar, dal? etwas
Furchtbares passiert war. Ich begriff alles in
dem Augenblick, als der schwarze Sklave, der
dem Holländer immer hei seinen Teufels-
künsten geholfen hatte, mir höhnisch ins Ge-
sicht grinste. Ich wul?te nun, was sie getan
hatten. Frank Hikopp hatte meinem Mann den
Körper gestohlen. Mit dem widerlichen Ge-
bräu, das die Stube verpestete, trieb er Tobias
aus dem Leibe heraus, und in dem Augenblick,
als Tobias Humbrugk so starb, starb auch der
Holländer und ging in den anderen hinüber.
Er schlüpfte in Tobias hinein, so wie man in
einen neuen Rock schlüpft. Wollen Sie etwa
darüber lachen, Herr?“
Sie holte, von der Erinnerung überwältigt,
tief Atem und wischte sich den Schweif? von
der Stirne.
Mir war durchaus nicht zum Lachen zu-
mute. Mich fröstelte, plötzlich merkte ich, dal?
es eisig kalt in der Stube war. Das Feuer im
Ofen war ausgebrannt, und der Nebel, der noch
immer durch die geschlossenen Fenster ein-
drang, lag um uns wie eine graugelbe Wolke,
die alle Umrisse fast verwischte. Die Katze
sal? noch immer vor mir auf dem Tisch und sah
mir mit ihren funkelnden Augen ins Gesicht,
als wolle sie mich fragen, ob ich auch alles
das, was wir soeben vernommen hatten, für
möglich hielte.
In diesem Augenblick dröhnte draußen im
Hausflur ein Schlag, der das Gebäude in seinen
Grundfesten erzittern ließ.
„Um Gotteswillen, er kommt“ — flüsterte mir
Susanna zu. —„So wie Sie es eben gehört haben,
pflegt er die Türen ins Schloß zu werfen . . . .“
Sie sagte nichts weiter, denn mein alter
Freund stand in der offenen Stubentüre. Wie
eine Rauchwolke wälzte sich um ihn her und
hinter ihm der Nebel in die Stube herein und
verhüllte vollends alles, was vorher noch deut-
lich gewesen war. Die Katze stieß einen kläg-
lichen Schrei aus und sprang vom Tische, um
hinter dem Ofen zu verschwinden.
Tobias Humbrugk schien in der Tat ge-
wachsen zu sein, seitdem ich ihn das letztemal
gesehen hatte. Ein grauer Stoppelbart, den er
früher nicht getragen hatte, sträubte sich um
sein mageres Gesicht.
„Was schwatzest du hier, anstatt in der
Küche nach dem Rechten zu sehen“, schrie er
die Frau an. Susanna verschwand wortlos und
sah scheu an ihrem Mann vorüber.
Ich hatte mich erhoben. Es war mir, als
wenn ich davonlaufen müßte.
Tobias sandte einen triumphierenden Blick
hinter seiner Gattin her und streckte mir beide
Hände entgegen.
„Bleib hier“ — sagte er — „und laß uns von
alten Zeiten reden.“
Er war plötzlich der alte Tobias, den ich
gekannt hatte, und klopfte mir lachend auf die
Schulter.
„Sie hat dir erzählt, was passiert ist, du
weißt von Frank Hikopp und von dem scharfen
Trank?“
Ich nickte nur.
„Es war der große Moment meines Lebens,“
— sagte er — „der Moment der Erleuchtung.
Hikopp war der edelste Mensch unter Gottes
Sonne und ein großer Psychologe.“ — Und
dann rief er wild in die Küche hinaus nach
einer Flasche Wein.
Draußen klirrten schon die Gläser.
,AVir wollen die Flasche der Erinnerung
Frank Hikopps weihen“ — sagte Humbrugk, als
er einschenkte.
Ich tat ihm Bescheid, aber ich wußte nicht,
was das alles zu bedeuten hatte.
Heinrick Kley
27
Furchtbares passiert war. Ich begriff alles in
dem Augenblick, als der schwarze Sklave, der
dem Holländer immer hei seinen Teufels-
künsten geholfen hatte, mir höhnisch ins Ge-
sicht grinste. Ich wul?te nun, was sie getan
hatten. Frank Hikopp hatte meinem Mann den
Körper gestohlen. Mit dem widerlichen Ge-
bräu, das die Stube verpestete, trieb er Tobias
aus dem Leibe heraus, und in dem Augenblick,
als Tobias Humbrugk so starb, starb auch der
Holländer und ging in den anderen hinüber.
Er schlüpfte in Tobias hinein, so wie man in
einen neuen Rock schlüpft. Wollen Sie etwa
darüber lachen, Herr?“
Sie holte, von der Erinnerung überwältigt,
tief Atem und wischte sich den Schweif? von
der Stirne.
Mir war durchaus nicht zum Lachen zu-
mute. Mich fröstelte, plötzlich merkte ich, dal?
es eisig kalt in der Stube war. Das Feuer im
Ofen war ausgebrannt, und der Nebel, der noch
immer durch die geschlossenen Fenster ein-
drang, lag um uns wie eine graugelbe Wolke,
die alle Umrisse fast verwischte. Die Katze
sal? noch immer vor mir auf dem Tisch und sah
mir mit ihren funkelnden Augen ins Gesicht,
als wolle sie mich fragen, ob ich auch alles
das, was wir soeben vernommen hatten, für
möglich hielte.
In diesem Augenblick dröhnte draußen im
Hausflur ein Schlag, der das Gebäude in seinen
Grundfesten erzittern ließ.
„Um Gotteswillen, er kommt“ — flüsterte mir
Susanna zu. —„So wie Sie es eben gehört haben,
pflegt er die Türen ins Schloß zu werfen . . . .“
Sie sagte nichts weiter, denn mein alter
Freund stand in der offenen Stubentüre. Wie
eine Rauchwolke wälzte sich um ihn her und
hinter ihm der Nebel in die Stube herein und
verhüllte vollends alles, was vorher noch deut-
lich gewesen war. Die Katze stieß einen kläg-
lichen Schrei aus und sprang vom Tische, um
hinter dem Ofen zu verschwinden.
Tobias Humbrugk schien in der Tat ge-
wachsen zu sein, seitdem ich ihn das letztemal
gesehen hatte. Ein grauer Stoppelbart, den er
früher nicht getragen hatte, sträubte sich um
sein mageres Gesicht.
„Was schwatzest du hier, anstatt in der
Küche nach dem Rechten zu sehen“, schrie er
die Frau an. Susanna verschwand wortlos und
sah scheu an ihrem Mann vorüber.
Ich hatte mich erhoben. Es war mir, als
wenn ich davonlaufen müßte.
Tobias sandte einen triumphierenden Blick
hinter seiner Gattin her und streckte mir beide
Hände entgegen.
„Bleib hier“ — sagte er — „und laß uns von
alten Zeiten reden.“
Er war plötzlich der alte Tobias, den ich
gekannt hatte, und klopfte mir lachend auf die
Schulter.
„Sie hat dir erzählt, was passiert ist, du
weißt von Frank Hikopp und von dem scharfen
Trank?“
Ich nickte nur.
„Es war der große Moment meines Lebens,“
— sagte er — „der Moment der Erleuchtung.
Hikopp war der edelste Mensch unter Gottes
Sonne und ein großer Psychologe.“ — Und
dann rief er wild in die Küche hinaus nach
einer Flasche Wein.
Draußen klirrten schon die Gläser.
,AVir wollen die Flasche der Erinnerung
Frank Hikopps weihen“ — sagte Humbrugk, als
er einschenkte.
Ich tat ihm Bescheid, aber ich wußte nicht,
was das alles zu bedeuten hatte.
Heinrick Kley
27