Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

DAS TREIBHAUS

WUNDERLICHES UN
Die Voisin (Zauberin, Wahrsagerin, Gift-
mischerin) bekam Geständnisse aller Art zu
hören. — Bald waren es die seligen Träume
junger Verliebter, die heil? vor Erregung zu
ihr eilten oder ihr herzbewegliche Briefe
schrieben, um das Ende ihrer Qualen zu er-
langen, flehend, sie möge das harte Herz der
Geliebten erweichen oder den ^Viderstand
eines grausamen Vaters brechen. Dann wieder
war es die zähe, sinnliche Leidenschaft reifer
Frauen, die sich an den Geliebten, der sie um
jüngerer, frischerer willen vernachlässigte, fest-
klammerten. Endlich die Liebe ehrgeiziger, nach
Glanz und Gröi?e dürstender Frauen, die uns
zu den Greueln der schwarzen Messe führt.
Bei diesen grauenvollen Vorgängen wurde
die Voisin von einem alten, schielenden Priester
mit rotem, gedunsenem Gesicht, auf welchem
sich dicke bläuliche Adern kreuzten, dem
schrecklichen AbbeGuibourg.unterstützt.Einst-
mals Armenpfleger des Grafen Montgomry,
war er damals Sakristan von Saint-Marcel in
Saint-Denis. Erlas die Messe nach kirchlichem
Ritus, mit dem Chorhemd, der Stola, der Arm-
binde bekleidet. Diejenigen, auf deren Leib die
Messe gelesen wurde, lagen völlig entblöl?t auf
einem als Altar dienenden Tische, mit ausge-
streckten Armen, in jeder Hand eine Kerze
haltend. Manchmal zogen sie sich nicht aus,
streiften nur ihre Kleider bis an den Hals hinauf.
Den Kelch stellte man auf den nackten Leib.
Im Augenblick der Opferung wurde ein Kind
getötet, das Blut des sterbenden Opfers in den
Kelch geträufelt, wo es sich mit dem Blute von
Fledermäusen und anderen durch widerliche
Manipulationen erhaltene Stoffe vermengte.

D ABSONDERLICHES
Nun fügte man Mehl hinzu, um die Mischung
dicker zu machen, welche alsdann die Form
einer Hostie erhielt und in dem Momente, da
während des Meßopfers Gott auf den Altar
niedersteigt, geweiht wurde. Die Schilderung
wurde nach den Verhörsakten von LaReynie
zusammengestellt.
Die schwarzen Messen waren nicht die ein-
zigen Gebräuche, deren Ritus Kindesopfer ver-
langte. Deshalb war auch der Verbrauch, den
die Voisin und ihre Gevatterinnen, die V/ahr-
sagerinnen, hatten, ein ungeheurer. (Brentano,
„Giftmordtragödie“, Zauberei im 17. Jahr-
hundert. A. Abels in H. Groi?' Archiv 1916.)
*
Der Esquilin war der gewöhnliche Schau-
platz derBeschwörungszenenund der magischen
Opferungen. Jener Hügel diente als Begräbnis-
platz für Sklaven, die man ohne Leichenkleid
hier im bunten Durcheinander verscharrte;
nachts hielt sich in dieser Einsamkeit des Todes
kein lebendes Wesen auf, aul?er diesen, die hier
einen Zufluchtsort fanden, und Zauberinnen, die
da ihr düsteres Handwerk trieben. Am Ende
des Esquilins, nahe bei der Porta Metia, hatte
der carnifex, der Henker, sein Haus, umgeben
von Galgen und Kreuzen, an denen Gerichtete
hingen; eine ungeheure Statue desPriaps wachte
ebenfalls über die abscheuliche und greuliche
Stätte fürsagae und Diebe. In der Regel kamen
die sagae nur auf den Esquilin, um dort im
Mondschein wunderkräftige Pflanzen zu pflük-
ken, oder Haare und Knochen von Toten, oder
Fett von Gehenkten zu holen. Aber auchKindes-
opfer brachten sie dar. Man mul?te sie für der-
artige Praktiken, an de»en Menschenblut klebte.

28
 
Annotationen