Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 1.1919

DOI Heft:
Achtzehntes Heft
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.29026#0437
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Schlange an Juana gekettet, sagte ich unver-
ständlich furchtbare Worte nach, verhängnis-
volle Bindung, uralten Schwur, Gebet der Son-
nenpriester über ausgerissenen, zuckenden Men-
schenherzen auf Steinaltären, rot von Blut und
Morgenlicht. Atzend waren die grausamen
Worte, ihre Dunkelheit fraß mit gefletschten
Zähnen an meinem Bewußtsein.
Verbunden mit Juana trat ich den Schutt des
Palastes. Noch nicht begangene Wege tastete
der Fuß, von den Wänden, im Stein, glotzten
Götzen, die Bäume und Tiere auf den Köpfen
trugen. Das Tuch von ihrem Hals schlang mir
Juana um die Augen, in Finsternis tappte ich
hinab.Raum drehte sich um mich, Sterne waren
mir aus dem Hirn gepreßt, tanzende Wirrnis
von Funken, nach innen sprühend. Welt ging
mir nur durch Juana hindurch, sie war Leitung
zum Sem und von ihm, alles war allein Gesang
ihres Blutes.
Ich stand, das Tuch sank, in mildem Geleuchte
unter schwerem Gewölbe lag wunderliche
Pflanzenlandschaft. Ein Garten, aus sanft ge-
bogenem hohen Gras wucherte Gesträuch,Bäu-
me mit Blättern, die wie Hände geformt waren,
Vögel saßen auf den Zweigen, große Blüten mit

dem Antlitz von Menschen sahen still zu einer
Sonne auf, die, ein unterirdisches Gegenbild der
Erdenschwester, sanftes Licht ausgoß. Regungs-
los stand alles, Pflanzen und Getier hielt die
Formen des Lebens fest ohne Teil an seinen
Farben. Zitternd fühlte die Hand metallische
Härte von Blatt und Zweig, künstliche Bildung
war der Wuchs, eine nachgeahmte Natur in
gelbem Glast.
„Es sind die goldenen Gärten des Inka",
JuanasHandschwebteüber dasNahehm. Gold!
Tief durchriß mich Schrecken, nicht allein
meiner selbst, auch der Menschheit wegen,
jäher Anprall einer Wucht von Gedanken,
noch zusammengeballt, nicht in einzelnes aus-
einandergelegt. Hier war der Sprengstoff, um
die ganze Kultur auseinander zu reißen, aus den
Brüdern im All einen Knäuel kämpfender Be-
stien zu machen. Aufgetürmte Flut von Leibern,
Geheul, unter Kreischen zerfleischt der Genius
der Menschheit. Dies war mein Schrecken, dabei
aber doch Verlangen, eine schwindende Fackel
in meinem Hirn, meine Hände, nach Berührung
lechzend, räuberisch nach dem goldenen Ge-
wucher zitternd. Lava rann mir glutend durch
die Kehle in den Leib, verkohlte mir tief unten
 
Annotationen