vom Tale, sie zog Koch über ihm, er glaubte
sich geschützt vor dem Getier. ährend sein
Auge noch einmal prüfte, bemerkte es eine gift-
grüne Schlange, die sich über das Pfeiler-
gemäuer auf ihn zu hinaufschlängelte. Er über-
wand in Eile die letzte Strecke des Brücken-
weges und kam so in erhöhter Bewegung in
das dritte Reich zurück, mit der gleichen, mit
der er ihm einmal entflohen war.
In diesem Raum gab es nur Schatten. Trotz
ihrer Vielfältigkeit unterschieden sie sich leicht
voneinander, denn sie hatten die verschie-
densten Färbungen. Noch vielzähliger waren
ihre Formen. Manche hingen wie lange schmut-
zige Laken von irgendwo oben herab, als seien
sie aufgehängt. Manche hatten grinsendeFratzen,
die immer breiter
wurden, zu gewalti-
gen Schlünden an-
wuchsen. Manche
zerrissen sich selbst,
zerfielen in tausend
Spinnenarme, die mit
haarigen langgestiel-
ten Gliedmaßen um
sich griffen. Manche
waren wie großeFlü-
gel, ungeheuerlichen
Vögeln ausgerissen,
sie huschten in
schwingenden Linien
durch den Raum,
hockten selten zur Ruhe nieder. Manche zogen
in Scharen heran, trugen in ihren Falten eisige
Kälte, die sie auf Weg und Umgebung ab-
lagerten. Manche starrten wie Häuser, wie
festverankerte Festungen mit tiefen Wällen
entgegen. Daß aber allen Schatten Leben inne-
zuwohnen schien, war das Grausigste dieses
Reiches. Viele glichen auch Menschengestalten,
zur Vorstellung von Kopf oder Augen konnte
der ^Vanderer niemals gelangen, doch war es
oft so, als oh der Schatten die Schultern höbe,
sich auf die Fußspitzen stelle und vornüber
fallen wolle. Bei manchen schien es, als brei-
teten sie die Arme aus, von denen ebenfalls
schwere Schatten herabflossen, um den Kom-
menden in sich einzuschließen. Oft standen sie
so in tiefen Reihen, wie in Erwartung, bildeten
Gassen, reckten sich hoch hinauf und hingen
oben neugierig kopfüber. Man konnte den
Schatten auch das Alter ablesen, das sie be-
saßen. Die älteren waren verbogen, furchig
und runzelig, die jüngeren glitten mit federndem
Huschen durch die erstarrten Straßen, bückten
sich, liefen vor ihnen wie vor strafenden Eltern
davon. Das Quälendste dieses Reiches war
die tonlose Stille; hier schien doch Leben zu
sein, hier gab es Jagen und Dahineilen, fort-
währendes Sichauflösen und Verbinden und
doch drang kein Klage- oder Freudenton, drang
kein Geräusch an das verdurstende, ausgetrock-
nete Ohr des Wanderers.
Er wußte, was ihm in diesem Raume bevor-
stehe, und darum peitschte er sich mit rieseln-
der Haut durch die allseitigen Schrecknisse
hindurch. Doch ehe es ihm gelang, den Weg
zu beenden, schwang
sich ein Schatten auf
ihn herab. Er legte
sich über einen Teil
seiner Stirn, dort, wo
sich die spitze und
runde Helle festge-
setzt hatte, er fiel
hinab in seine Augen,
er drang noch tiefer,
füllte die Herzhöhle
und fraß von dem
Arm, der wie ein
j'unger Baum aus
seinerBrustragte, die
kräftige Hand fort.
So kam er zu den Grenzen des Todes.
Seine erkaltete Schläfe lief ein Blutstrom
hinauf, ward immer wärmer und verkroch
sich in der Stirnhöhle. Ein Knall fuhr an-
wachsend in einen Revolverlauf zurück, ein
Hahn bekam eine Versicherung. Erlebte. Das
oftgewendetelnstrument sprang in eine Schreib-
tischlade zurück und sperrte sich ein. Kurz
vorher sprangen die Lettern, die seinen Selbst-
mord gemeldet hatten, aus der Zeitung in den
Setzerkasten zurück, das Papier rollte in die
Mühle, lief in den Wald und ward eine Tanne,
auf die sich ein Trauermantel setzte.
Sein Vater lag noch begraben, aber er wußte,
daß der Tag kommen werde, an dem Tränen
an seinen Wangen hinaufliefen, sich in die
Augen verkrochen, er wußte, daß der Tag kom-
men werde, an dem er ihm begegnen werde.
Darum wich er vor diesem Gedanken an allen
sich geschützt vor dem Getier. ährend sein
Auge noch einmal prüfte, bemerkte es eine gift-
grüne Schlange, die sich über das Pfeiler-
gemäuer auf ihn zu hinaufschlängelte. Er über-
wand in Eile die letzte Strecke des Brücken-
weges und kam so in erhöhter Bewegung in
das dritte Reich zurück, mit der gleichen, mit
der er ihm einmal entflohen war.
In diesem Raum gab es nur Schatten. Trotz
ihrer Vielfältigkeit unterschieden sie sich leicht
voneinander, denn sie hatten die verschie-
densten Färbungen. Noch vielzähliger waren
ihre Formen. Manche hingen wie lange schmut-
zige Laken von irgendwo oben herab, als seien
sie aufgehängt. Manche hatten grinsendeFratzen,
die immer breiter
wurden, zu gewalti-
gen Schlünden an-
wuchsen. Manche
zerrissen sich selbst,
zerfielen in tausend
Spinnenarme, die mit
haarigen langgestiel-
ten Gliedmaßen um
sich griffen. Manche
waren wie großeFlü-
gel, ungeheuerlichen
Vögeln ausgerissen,
sie huschten in
schwingenden Linien
durch den Raum,
hockten selten zur Ruhe nieder. Manche zogen
in Scharen heran, trugen in ihren Falten eisige
Kälte, die sie auf Weg und Umgebung ab-
lagerten. Manche starrten wie Häuser, wie
festverankerte Festungen mit tiefen Wällen
entgegen. Daß aber allen Schatten Leben inne-
zuwohnen schien, war das Grausigste dieses
Reiches. Viele glichen auch Menschengestalten,
zur Vorstellung von Kopf oder Augen konnte
der ^Vanderer niemals gelangen, doch war es
oft so, als oh der Schatten die Schultern höbe,
sich auf die Fußspitzen stelle und vornüber
fallen wolle. Bei manchen schien es, als brei-
teten sie die Arme aus, von denen ebenfalls
schwere Schatten herabflossen, um den Kom-
menden in sich einzuschließen. Oft standen sie
so in tiefen Reihen, wie in Erwartung, bildeten
Gassen, reckten sich hoch hinauf und hingen
oben neugierig kopfüber. Man konnte den
Schatten auch das Alter ablesen, das sie be-
saßen. Die älteren waren verbogen, furchig
und runzelig, die jüngeren glitten mit federndem
Huschen durch die erstarrten Straßen, bückten
sich, liefen vor ihnen wie vor strafenden Eltern
davon. Das Quälendste dieses Reiches war
die tonlose Stille; hier schien doch Leben zu
sein, hier gab es Jagen und Dahineilen, fort-
währendes Sichauflösen und Verbinden und
doch drang kein Klage- oder Freudenton, drang
kein Geräusch an das verdurstende, ausgetrock-
nete Ohr des Wanderers.
Er wußte, was ihm in diesem Raume bevor-
stehe, und darum peitschte er sich mit rieseln-
der Haut durch die allseitigen Schrecknisse
hindurch. Doch ehe es ihm gelang, den Weg
zu beenden, schwang
sich ein Schatten auf
ihn herab. Er legte
sich über einen Teil
seiner Stirn, dort, wo
sich die spitze und
runde Helle festge-
setzt hatte, er fiel
hinab in seine Augen,
er drang noch tiefer,
füllte die Herzhöhle
und fraß von dem
Arm, der wie ein
j'unger Baum aus
seinerBrustragte, die
kräftige Hand fort.
So kam er zu den Grenzen des Todes.
Seine erkaltete Schläfe lief ein Blutstrom
hinauf, ward immer wärmer und verkroch
sich in der Stirnhöhle. Ein Knall fuhr an-
wachsend in einen Revolverlauf zurück, ein
Hahn bekam eine Versicherung. Erlebte. Das
oftgewendetelnstrument sprang in eine Schreib-
tischlade zurück und sperrte sich ein. Kurz
vorher sprangen die Lettern, die seinen Selbst-
mord gemeldet hatten, aus der Zeitung in den
Setzerkasten zurück, das Papier rollte in die
Mühle, lief in den Wald und ward eine Tanne,
auf die sich ein Trauermantel setzte.
Sein Vater lag noch begraben, aber er wußte,
daß der Tag kommen werde, an dem Tränen
an seinen Wangen hinaufliefen, sich in die
Augen verkrochen, er wußte, daß der Tag kom-
men werde, an dem er ihm begegnen werde.
Darum wich er vor diesem Gedanken an allen