DAS TREIBHAUS
WUNDERLICHES UND ABSONDERLICHES
Einer der bedeutendsten Okkultisten Frank-
reichs berichtet über eine Beschwörung des
Apollonius von Thyana, die er am 24. Juli 1854
unternahm, das folgende:
Am 24. Juli waren alle Vorbereitungen be-
endet. Es bandelte sich darum, den Geist des
göttlichen Apollonius anzurufen und ihn über
zwei Geheimnisse zu befragen, von denen eines
mich selbst, das andere eine Dsme betraf, die
zugleich mit einer Vertrauensperson der Be-
schwörung beiwohnen wollte. Diese Persön-
lichkeitbekam jedoch im letztenMomentFurcht,
und da nach denGesetzen des magischenRitus die
Zeremonie nur von drei o der einer Person vorge-
nommen werden darf, blieb ich dabei allein. Das
Beschwörungszimmer befand sich in einem
Türmchen. Man hatte vier Hohlspiegel aufge-
stellt und eine Art Altar, dessen obererTeil aus
weißem Marmor bestand und mit einer Kette
aus magnetischen Eisen umwunden tvar. Auf
dem weißen Marmor war ein vergoldetes Pen-
tagramm eingegraben, und das gleiche Zeichen
fand sich in verschiedenen Farben auf einem
neuen, weißen Lammfell, das über den Altar
gebreitet war. In der Mitte der Marmortafel
stand eine Kupferschale mit Kohlen von Erlen-
holz und Lorbeer; eine zweite Schale stand
vor mir auf einem Dreifuß. Ich selbst trug ein
weißes Gewand, ähnlich dem, das die
katholischen Priester tragen, nur weiter und
länger, und auf dem Haupt einen Kranz aus
Eisenkrautblättern, der in eine goldene Kette
geflochten war. In der einen Hand hielt ich
einen neuen Degen, in der anderen das Rituale.
Ich entzündete diebeidenFeuer aus denbesonders
zugerichteten und vorbereiteten Stoffen und
begann dann, leise zuerst und mit immer lau-
terer Stimme, die Beschwörungen des Rituale
zu sprechen. Rauch stieg empor, die Flamme
ließ alle Gegenstände, auf die ihr Licht fiel,
erzittern und verlöschte dann. Der weiße
Rauch stieg kerzengerade von dem Marmor-
altar empor. Mir schien es, als zittere die
Erde unter mir, meine Ohren klangen und
mein Herz klopfte stark. Ich warf einige
Zweige und Wohlgerüche auf die Schalen, und
als die Flammen emporzüngelten, sah ich die
übernatürlich große Gestalt eines Menschen
vor dem Altar. Sie tauchte aus dem Nichts
und zerfloß sogleich wieder. Aufs neue begann
ich die Anrufungen und stellte mich in einen
Kreis, den ich zwischen dem Altar und dem
Dreifuß gezogen hatte: da sah ich, wie sich in
dem Spiegel, der hinter dem Altar, mir gegen-
über, stand, allmählich eine bläuliche Gestalt ab-
zeichnete, die immer größer wurde und sich mir
zu nahen schien. Ich schloß die Augen und rief
dreimal den Namen des Apollonius. Als ich die
Augen wieder öffnete, stand ein Mensch vor
mir, vollständig eingehüllt in eine Art von
Leichentuch, das eher grau als weiß zu sein
schien. Sein Gesicht war mager, traurig und
bartlos — anders, als ich mir Apollonius vor-
gestellt hatte. Ich fühlte eine außerordentliche
Kälte, und als ich den Mund öffnete, um das
Phantom anzureden, brachte ich keinen Ton
hervor. Ich legte die Hand auf das Pentagramm
und hielt dem Gespenst die Degenspitze ent-
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