Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ragt. Das ist ein weitläufiger Bau in Hufeisen-
form. Das Gemach des Königs befand sich an
einem der Schenkel und beinahe gegenüber lag
der große Saal, wo sich die Stände zu ver-
sammeln pflegten.

Die Fenster dieses Saales schienen in diesem
Augenblick von einem hellen Schein erleuchtet.
Das dünkte dem König seltsam. Zuerst dachte
er, der Schein rühre von der Fackel irgend-
eines Bedienten her. Aber was sollte der zu
dieser Stunde in dem Saal zu schaffen haben,
der seit langer Zeit nicht mehr geöffnet worden
war. Andererseits war das Licht für eine
einzige Fackel auch zu grell. Man hätte an
einen Brand denken können, aber kein Rauch
war zu sehen, die Scheiben waren nicht ge-
borsten, kein Laut fiel? sich hören, kurz, alles
deutete vielmehr auf eine Beleuchtung.

Karl betrachtete eine Zeitlang die Fenster
schweigsam. Der Graf Brahe wollte einem
Pagen schellen, um durch ihn die Ursache dieser
sonderbaren Helligkeit feststellen zu lassen,
und streckte schon die Hand nach der Klingel-
schnur aus, aber der König hielt ihn zurück:
„Ich selbst will in diesen Saal gehen“, sagte er.
Bei diesen Worten bedeckte ihn eine fahle
Blässe. Gleichwohl ging er festen Schrittes
hinaus. Der Kammer-
herr und der Arzt
folgten ihm, jeder eine
brennende Kerze in der
Hand.

Der Pförtner, der
die Schlüssel bewahrte,
mußte erst geweckt
werden, und in aller
Hast eilte er mit seinem
Schlüsselbunddem Kö-
nig nach, der voran-
gegangen war. Zuerst
öffnete er die Tür zu
einer Galerie, einer Art
Vorzimmer des Stände-
saales. Der König trat
ein, aber wie groß war
sein Erstaunen, als er
ringsum die Wände
schwarz ausgeschlagen
sah.

„Wer hat Befehl ge-
geben, den Saal in dieser

Weise auszuschlagen »fragte er zornigen Tones.
— „Sire, niemand, daß ich wüßte,“ entgegnete
der Pförtner ganz verwirrt, „und das letzte
Mal, als ich die Galerie ausfegte, war sie in

Eiche vertäfelt, wie sie immer gewesen war_

ganz gewiß, diese Behänge stammen nicht aus
den Kammerbeständen Eurer Majestät.“ Der
König hatte schon raschen Schrittes zwei Drittel
der Galerie durcheilt. Der Graf und der
Pförtner folgten ihm unmittelbar.

„Gehen Sie nicht weiter, Sire“, rief der
Pförtner. „Bei meiner Seele, dort drinnen geht’s
nicht mit rechten Dingen zu. In dieser Stunde...
und seit dem Tode der Königin, Eurer hold-
seligen Gemahlin, sagt man, geht sie in dieser

Galerie um.Gott sei uns gnädig!“

„Halten Sie ein, Sire“, rief auch der Graf.
„Hören Sie nicht das Getöse, das aus dem
Ständesaal dringt? ^Ver weiß, welchen Ge-
fahren sich Eure Majestät aussetzen.“

„Gehen wir hinein“, sagte der König im ent-
schlossenen Tone und machte vor der Türe
zum großen Saale halt. „Und du, Pförtner,
öffne schnell diese Türe.“ Er trat mit dem
Fuß dagegen, und der Schall, zurückgeworfen
vom Widerhall der Wölbungen, donnerte
wie ein Kanonenschuß. Der Pförtner zitterte
derart, daß sein Schlüs-
sel gegen das Schloß
klapperte, ohne daß er
das Schlüsselloch finden
konnte. „Ein alter Sol-
dat und zittert!“ sagte
Karl und zuckte die
Achseln. „Kommen Sie,
Graf, öffnen Sie uns
diese Türe.“

„Sire,“ entgegnete der
Graf, indem er einen
Schritt zurückwich,
„wenn Eure Majestät
mir befehlen, gegen die
Mündung einer däni-
schen oder deutschen
Kanone zu marschieren,
ich will gehorchen ohne
Zaudern, aber das ist
der Teufel, den ich ver-
suchen soll.“

Der König entriß dem
Pförtner den Schlüssel.

2
 
Annotationen