Sie schritten erhobenen Hauptes und mit festem
Blick. Hinter ihnen hielt ein ungeschlachter
Kerl in braunem Lederwams das Ende der
Stricke, die ihre Hände banden. Der, welcher
zuerst kam und der der vornehmste der Ge-
fangenen zu sein schien, machte in der Mitte
des Saales vor dem Block halt, den er mit
stolzer Verachtung anschaute. Da schien der
Leichnam in einem konvulsivischen Krampf zu
erzittern, und frisch und rot sickerte das Blut
aus seiner Wunde. Der Jüngling kniete nieder
und neigte bereit das Haupt. Einen Augenblick
blitzte das Beil in der Luft, dann fiel es mit
dumpfem Krach herab. Ein Strom von Blut
ergoß sich über die Estrade und vermengte sich
mit dem des Leichnams, und das Haupt sprang
ein paarmal vom geröteten Boden auf, ehe es
bis zu den Füßen Karls rollte, die es mit Blut
benetzte.
Bis dahin stand Karl sprachlos vor Erstau-
nen, jetzt aber löste das Entsetzen über dieses
Schauspiel seine Zunge. Er trat ein paar
Schritte zur Estrade, und indem er sich an
die Gestalt im Mantel des Reichs Verwesers
wandte, sprach er kühn die wohlbekannte For-
mel: „Bist du von Gott, so sprich; bist du vom
Bösen, laß uns in Frieden.“
Langsam und in feierlichem Tone antwortete
der Geist: „König Karl! dies Blut wird nicht
unter deiner Herrschaft fließen, . . . (hier war
die Stimme undeutlich), aber fünf Herrschaften
später. Wrehe, wehe, wehe dem BluteW^sas!“
Dann begannen die Formen all der vielen
Gestalten dieser wunderbaren Versammlung
undeutlicher zu werden und erschienen nur
mehr als farbige Schatten, und bald waren
sie ganz verschwunden. Die phantastischen
Fackeln erloschen, und die Lichter Karls und
seiner Begleiter beschienen nichts anderes mehr
als alte Wandbehänge, die der Wind leicht
bewegte. Man hörte noch eine Zeitlang einen
Ton, so melodisch wie das Säuseln des Windes
oder der Ton einer Harfe. Alle waren sich
über die Dauer der Erscheinung einig, die sie
auf etwa zehn Minuten schätzten.
Die schwarzen Behänge, das abgeschlagene
Haupt, die Ströme von Blut, die den Boden
gefärbt hatten, alles war verschwunden mit-
samt den Gespenstern. Nur Karls Pantoffel trug
noch einen roten Fleck, der schon allein ihn an
die Szene dieser Nacht hätte erinnern können.
Der König ließ sofort in seinem Gemach
einen Bericht über dies Erlebnis aufsetzen, den
er von seinen Begleitern unterschreiben ließ
und selbst Unterzeichnete. Trotz der strengsten
Vorsichtsmaßregeln wurde aber das Schrift-
stück bald bekannt, und zwar noch zu Leb-
zeiten Karls XI. Es existiert noch heute, und
niemand hat bisher Zweifel an seiner Echtheit
zu erheben vermocht. Der Schlußsatz darin
ist bemerkenswert: „Und wenn das, so ich eben
berichtet habe, nicht die lautere Wahrheit ist,
will ich jeglicher Hoffnung auf ein besseres
Jenseits entraten, das ich mir durch etliche gute
Taten verdient haben könnte, männiglich durch
meinen Eifer, für das Glück meines Volkes
zu arbeiten und den Glauben meiner Väter
zu schützen.“
Wilhelm Heilt
Blick. Hinter ihnen hielt ein ungeschlachter
Kerl in braunem Lederwams das Ende der
Stricke, die ihre Hände banden. Der, welcher
zuerst kam und der der vornehmste der Ge-
fangenen zu sein schien, machte in der Mitte
des Saales vor dem Block halt, den er mit
stolzer Verachtung anschaute. Da schien der
Leichnam in einem konvulsivischen Krampf zu
erzittern, und frisch und rot sickerte das Blut
aus seiner Wunde. Der Jüngling kniete nieder
und neigte bereit das Haupt. Einen Augenblick
blitzte das Beil in der Luft, dann fiel es mit
dumpfem Krach herab. Ein Strom von Blut
ergoß sich über die Estrade und vermengte sich
mit dem des Leichnams, und das Haupt sprang
ein paarmal vom geröteten Boden auf, ehe es
bis zu den Füßen Karls rollte, die es mit Blut
benetzte.
Bis dahin stand Karl sprachlos vor Erstau-
nen, jetzt aber löste das Entsetzen über dieses
Schauspiel seine Zunge. Er trat ein paar
Schritte zur Estrade, und indem er sich an
die Gestalt im Mantel des Reichs Verwesers
wandte, sprach er kühn die wohlbekannte For-
mel: „Bist du von Gott, so sprich; bist du vom
Bösen, laß uns in Frieden.“
Langsam und in feierlichem Tone antwortete
der Geist: „König Karl! dies Blut wird nicht
unter deiner Herrschaft fließen, . . . (hier war
die Stimme undeutlich), aber fünf Herrschaften
später. Wrehe, wehe, wehe dem BluteW^sas!“
Dann begannen die Formen all der vielen
Gestalten dieser wunderbaren Versammlung
undeutlicher zu werden und erschienen nur
mehr als farbige Schatten, und bald waren
sie ganz verschwunden. Die phantastischen
Fackeln erloschen, und die Lichter Karls und
seiner Begleiter beschienen nichts anderes mehr
als alte Wandbehänge, die der Wind leicht
bewegte. Man hörte noch eine Zeitlang einen
Ton, so melodisch wie das Säuseln des Windes
oder der Ton einer Harfe. Alle waren sich
über die Dauer der Erscheinung einig, die sie
auf etwa zehn Minuten schätzten.
Die schwarzen Behänge, das abgeschlagene
Haupt, die Ströme von Blut, die den Boden
gefärbt hatten, alles war verschwunden mit-
samt den Gespenstern. Nur Karls Pantoffel trug
noch einen roten Fleck, der schon allein ihn an
die Szene dieser Nacht hätte erinnern können.
Der König ließ sofort in seinem Gemach
einen Bericht über dies Erlebnis aufsetzen, den
er von seinen Begleitern unterschreiben ließ
und selbst Unterzeichnete. Trotz der strengsten
Vorsichtsmaßregeln wurde aber das Schrift-
stück bald bekannt, und zwar noch zu Leb-
zeiten Karls XI. Es existiert noch heute, und
niemand hat bisher Zweifel an seiner Echtheit
zu erheben vermocht. Der Schlußsatz darin
ist bemerkenswert: „Und wenn das, so ich eben
berichtet habe, nicht die lautere Wahrheit ist,
will ich jeglicher Hoffnung auf ein besseres
Jenseits entraten, das ich mir durch etliche gute
Taten verdient haben könnte, männiglich durch
meinen Eifer, für das Glück meines Volkes
zu arbeiten und den Glauben meiner Väter
zu schützen.“
Wilhelm Heilt