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ein Lauf und wieder ein Klick. Es war kein
Zweifel möglich, im nächsten Zimmer wurde
Billard gespielt. Und das nächste Zimmer hatte
nicht Raum genug für einen Billardtisch!

In den Pausen des Windes hörte ich das
Spiel weitergehen, Stoß auf Stoß. Ich trachtete
mir einzureden, daß ich keine Stimme hörte;
aber es gelang mir nicht.

Weiß der Leser, was Furcht ist? Nicht ge-
wöhnliche Furcht vor Beschimpfung, Schlag
oder Tod, sondern sinnlose, zitternde Angst
vor etwas, was man nicht sieht — eine Furcht,
die den Gaumen und die Kehle austrocknet —
eine Furcht, die einem den Schweiß aus den
Handflächen treibt und einen zu krampfhaftem
Schlucken zwingt? Das ist eine besondere Art
von Furcht — eine große Feigheit, die man ge-
fühlt haben muß, um sie zu verstehen. Gerade
die Unwahrscheinlichkeit von Billardtischen
in einem Dak-Bungalow bewies die Wirk-
lichkeit der Sache. Kein Mensch, nüchtern oder
betrunken, konnte sich ein Billardspiel einbilden
oder das unnachahmliche Geräusch eines Tief-
stoßkarambols erfinden.

Eine lange Folge von Dak-Bungalows hat
den Nachteil, daß sie eine unendliche Gläu-
bigkeit hervorruft. W'enn jemand zu einem
altgewohnten Dak-Bungalow-Besucher sagte:
„Im nächsten Zimmer liegt ein Leichnam, und
ein wahnsinniges Mädchen ist im Zimmer neben
diesem, und der Mann und das Weib auf jenem
Kamel sind eben erst von einem sechzig Meilen
entfernten Orte durchgegangen“, so würde der
Hörer keinen Zweifel in seine Worte setzen,
weil nichts zu wild, grotesk oder grauenhaft ist,
um in einem Dak-Bungalow zu geschehen.

Diese Gläubigkeit erstreckt sich unglück-
licherweise auf Geister. Ein vernünftiger, eben
erst aus seinem Hause gekommener Mensch
würde sich auf die Seite gelegt haben und
wieder eingeschlafen sein. Ich tat das nicht.
So sicher wie ich von den wimmelnden Dingern
im Bette als trockener Leichnam aufgegeben
wurde, weil die überwiegende Menge meines
Blutes in meinem Herzen war, so sicher hörte
ich jeden Stoß eines langen Billardspiels, das in
dem hallenden Zimmer hinter der verriegelten
Tür gespielt wurde. Meine größte Furcht war,
daß die Spieler vielleicht eines Markörs be-
dürfen würden. Es war eine dumme Furcht;

denn Wesen, die im Finstern spielen konnten,
waren wohl über derlei kleine Behelfe erhaben.
Ich weiß nur, daß ich davor eine Todesangst
hatte, und die war sehr wirklich.

Nach langer, langer Dauer hörte das Spiel
auf und die Tür schlug zu. Ich schlief ein, weil
ich todmüde war. Sonst hätte ich es vor-
gezogen, wach zu bleiben. Nicht um ganz Asien
hätte ich den Türriegel zurückgeschoben und
die Finsternis des nächsten Zimmers geschaut.

Als der Morgen kam, fand ich, daß ich wohl
und weise getan hatte, und erkundigte mich
nach Weiterbeförderungsmitteln.

„Nebenbei, Khansamah,“ sagte ich, „was
hatten die drei Tragsessel gestern nacht im Hofe
zu tun?“ „Es waren keine Tragsessel da“, sagte
der Khansamah.

Ich ging ins Nebenzimmer, und das Tages-
licht strömte durch die offene Tür herein. Ich
war ungemein mutig. Ich hätte um diese Stunde
Black Pool selbst mit dem Herrn des großen
schwarzen Pfuhls da drunten gespielt.

„War dieses Haus immer ein Dak-Bun-
galow?“ fragte ich.

„Nein“, sagte der Khansamah. „Vor zehn
oder zwanzig Jahren, ich habe vergessen, wie
lange es her ist, war es ein Billardzimmer.“

„Ein was?“

„Ein Billardzimmer für die Sahibs, die die
Eisenbahn bauten. Ich war damals Khansamah
in dem großen Hause, wo alle die Eisenbahn-
Sahibs wohnten, und ich brachte ihnen immer
Brandy-Shrab herüber. Diese drei Zimmer
waren damals eines, und darin stand ein großer
Tisch, auf welchem die Sahibs jeden Abend
spielten. Aber die Sahibs sind alle tot, und
die Eisenbahn geht, wie Sie sagen, fast bis nach
Kabul.“

„Wissen Sie noch etwas von den SahibsT'

„Es ist lange her, aber ich erinnere mich, daß
ein Sahib, ein dicker Mann und immer zornig,
eines Abends hier spielte, und er sagte zu mir:
,Mangal Khan, brandy pani do\ und ich füllte
das Glas, und er beugte sich über den Tisch,
um zu spielen, und sein Kopf sank tiefer und
tiefer, bis er auf den Tisch schlug, und seine
Augengläser fielen herunter, und als wir — die
Sahibs und ich — herbeisprangen, um ihn auf-
zuheben, war er tot. Ich half ihn hinaustragen.
Ah, er war ein starker Sahib! Aber er ist tot.

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