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Sann hin, sann her, bey schlafloser Nacht,
Ein Liebchen zu wählen mit reifem Bedacht,
Das pro und contra erschwerte die Wahl,
Und preßte sein Herz mit langer Quaal.

Der allbelebende Lenz entfloh.

Der schwüle Sommer ebenso.

Schon sauste der V/ind durchs Stoppelfeld,
Und ohne Braut zog heim der Held.

Nach manches Frühlings Wiederkehr,
Lustwandelte von ungefehr
Im Park der Junker, Morgens früh.

Vertieft in süße Phantasie,

Da schwebt’ eine weibliche Gestalt
Vor ihm daher, im düstern W^ald,

Wie eine Braut, schön, zart und jung.
Geschmückt mit stolzem Fedemschwung.

Er sah sie von fern, nur hinterwärts.

Doch schlug vor Freuden ihm das Herz;

Ihr Zauberreiz zog allgemach
Den Späher ihren Schritten nach.

Und als das Fräulein, zierlich und schlank.
Bald darauf vernahm des Kommenden Gang,
Dreht sie sich nun im schnellen Nu,

Und hüpfte freundlich auf ihn zu.

Both traulich ihm die Arme dar.

Hilf Gott, wie stieg zu Berg sein Haar!
Eiskalt durchschauderts ihm die Haut:

Ein Todtengespenste war die Braut.

Sieh Junker, sieh da dein Ehgemahl!

So glükts nach lang verzögerter Wahl.

Nimm hin das dir beschiedne Loos,

Nimm hin das Fräulein Atropos.

Die Parze, im modernen Gewand,

Den Fächer statt Spindel in der Hand,

Ubt an dem sterblichen Geschlecht,

Noch immer aus ihr altes Recht.

Darum wer freyen will und kan.

Der nehme gute Lehren an:

W^er auf den Handel sich versteht,

W^ählt eh der Markt zu Ende geht.

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