mein Entzücken, als ich auf den ersten Blick
ins Manuskript v^ahrnahm, dal? der Fremde
niemand anders gewesen als der berühmte, zum
Kaiser von Aromata avancierte Schneider-
geselle Ahraham Tonelli, dessen merkwürdige
Lebensgeschichte vor mehreren Jahren in dem
achten Bande der „Straußfedern“, der Leser-
welt mitgeteilt wurde. — Merkwürdig genug
scheint es, daß gegenwärtige Memoiren gerade
da, wo jene Lebensgeschichte schließt, anfangen
und sich daher derselben ziemlich genau an-
reihen. Es ist möglich, daß Tonelli in Berlin
den Redakteur seiner früheren Lebensge-
schichte (Ludwig Tieck) suchte und nicht fand.
Hat mir aber nun einmal das Schicksal Tonellis
ferneres Manuskript in die Hände gespielt, so
finde ich darin einen Beruf, mich sogleich der
Redaktion desselben zu unterziehen, und weder
Herr Abraham Tonelli noch Herr Ludwig
Tieck können dies ungütig aufnehmen.
Hier ist also die
Fortsetzung von Abraham Tonellis merk-
würdiger Lebensgeschichte.
1.
Lügen ist ein großes Laster, hauptsächlich
deshalb, weil es der Wahrheit entgegen, die
eine große Tugend. Hab’ auch nimmer gelogen,
als wenn’s mein Vorteil. Possedier'überhaupt
ein passabel starkes Gewissen, das mich zu-
weilen derb in den Rücken stößt. Treibt auch
jetzt mich an, zu gestehen, daß gelogen, als der
Welt schrieb, wie ich alt und grau und doch
nimmer glücklich, und wie die idealischen
Träume meiner Jugend in Erfüllung gegangen.
War, als das schrieb, noch ein junger, hübscher
Mann mit roten Backen, hatte mich aber stark
pudern lassen. Aß gerade einen böhmischen
Fasan, mit Apfelmus und trank Muskatwein
dazu. Hielt das für die idealischen Träume
meiner Jugend. V/ollte mich damit brüsten,
daß alles durchgesetzt, was mir vorgenommen,
und nun glücklich bin an mein Lebensende.
Hatte mein ganzes bißchen alte Geschichte ver-
schwitzt. Dachte nicht an Krösus, war über-
haupt ein eingebildeter Narr, und, wie gesagt,
alles erlogen, bis auf den guten Appetit, den ich
noch heute verspüre. Erlitt auch bald nach-
her, als ich also gelogen, großes Unglück, Not
und Pein, worüber ich meine ganze Herrlich-
keit im Stich lassen und vergessen mußte. Oh,
wie muß sich doch der irdische Mensch hie-
nieden beugen den vernichtenden Launen eines
stets wankenden Schicksals! — O täuschender
Glanz des Glücks, wie verbleichst du so schnell,
so plötzlich vor dem Gifthauch des Mißge-
schicks! — Ist einmal so und nicht anders in
der Welt! —
Hatte als Kaiser von Aromata eine überaus
schöne, vortreffliche Kaiserin. War auch ein
Engel dabei und konnte singen und spielen, daß
einem das Herz im Leibe lachte. Tanzte auch
hübsch. Dachte, als die Flitterwochen vorüber,
daran, daß es wohl nun zu meinem Part ge-
höre, die kostbare Perl' aufzubewahren, bat
mir sie daher aus von der Gemahlin. Schlug’s
mir aber schnippisch ab. Tät’ den Ärger ver-
beißen und meinte, die Gemahlin solle aus
großer Liebe zu mir meinem Willen nicht ent-
gegen sein. Die Gemahlin schlug es mir aber
nochmals rund ab, wurde zornig und blickte
mich an mit funkelnden Augen. Hatte noch
niemals solche Augen bei einer Weibsperson
gesehen und mußte an die schwarze Katze
denken. Ließ drei Tage das Maul hängen und
vergoß eines Mittags, als die Kaiserin gerade
ein gebratenes Spanferkel anschnitt, das zu sehr
gepfeffert, bittre Tränen des Unmuts. Das
rührte die Gemahlin, und sie sagte, ich solle
mir den Verlust der Perl' nicht so zu Herzen
nehmen, hätte doch das unschätzbarste Kleinod
auf Erden dafür eingetauscht, und wolle sie
manchmal die Perl' mir zum Spielen geben. —
War doch ein schönes, ehrliches Gemüt, die
Kaiserin! —
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ins Manuskript v^ahrnahm, dal? der Fremde
niemand anders gewesen als der berühmte, zum
Kaiser von Aromata avancierte Schneider-
geselle Ahraham Tonelli, dessen merkwürdige
Lebensgeschichte vor mehreren Jahren in dem
achten Bande der „Straußfedern“, der Leser-
welt mitgeteilt wurde. — Merkwürdig genug
scheint es, daß gegenwärtige Memoiren gerade
da, wo jene Lebensgeschichte schließt, anfangen
und sich daher derselben ziemlich genau an-
reihen. Es ist möglich, daß Tonelli in Berlin
den Redakteur seiner früheren Lebensge-
schichte (Ludwig Tieck) suchte und nicht fand.
Hat mir aber nun einmal das Schicksal Tonellis
ferneres Manuskript in die Hände gespielt, so
finde ich darin einen Beruf, mich sogleich der
Redaktion desselben zu unterziehen, und weder
Herr Abraham Tonelli noch Herr Ludwig
Tieck können dies ungütig aufnehmen.
Hier ist also die
Fortsetzung von Abraham Tonellis merk-
würdiger Lebensgeschichte.
1.
Lügen ist ein großes Laster, hauptsächlich
deshalb, weil es der Wahrheit entgegen, die
eine große Tugend. Hab’ auch nimmer gelogen,
als wenn’s mein Vorteil. Possedier'überhaupt
ein passabel starkes Gewissen, das mich zu-
weilen derb in den Rücken stößt. Treibt auch
jetzt mich an, zu gestehen, daß gelogen, als der
Welt schrieb, wie ich alt und grau und doch
nimmer glücklich, und wie die idealischen
Träume meiner Jugend in Erfüllung gegangen.
War, als das schrieb, noch ein junger, hübscher
Mann mit roten Backen, hatte mich aber stark
pudern lassen. Aß gerade einen böhmischen
Fasan, mit Apfelmus und trank Muskatwein
dazu. Hielt das für die idealischen Träume
meiner Jugend. V/ollte mich damit brüsten,
daß alles durchgesetzt, was mir vorgenommen,
und nun glücklich bin an mein Lebensende.
Hatte mein ganzes bißchen alte Geschichte ver-
schwitzt. Dachte nicht an Krösus, war über-
haupt ein eingebildeter Narr, und, wie gesagt,
alles erlogen, bis auf den guten Appetit, den ich
noch heute verspüre. Erlitt auch bald nach-
her, als ich also gelogen, großes Unglück, Not
und Pein, worüber ich meine ganze Herrlich-
keit im Stich lassen und vergessen mußte. Oh,
wie muß sich doch der irdische Mensch hie-
nieden beugen den vernichtenden Launen eines
stets wankenden Schicksals! — O täuschender
Glanz des Glücks, wie verbleichst du so schnell,
so plötzlich vor dem Gifthauch des Mißge-
schicks! — Ist einmal so und nicht anders in
der Welt! —
Hatte als Kaiser von Aromata eine überaus
schöne, vortreffliche Kaiserin. War auch ein
Engel dabei und konnte singen und spielen, daß
einem das Herz im Leibe lachte. Tanzte auch
hübsch. Dachte, als die Flitterwochen vorüber,
daran, daß es wohl nun zu meinem Part ge-
höre, die kostbare Perl' aufzubewahren, bat
mir sie daher aus von der Gemahlin. Schlug’s
mir aber schnippisch ab. Tät’ den Ärger ver-
beißen und meinte, die Gemahlin solle aus
großer Liebe zu mir meinem Willen nicht ent-
gegen sein. Die Gemahlin schlug es mir aber
nochmals rund ab, wurde zornig und blickte
mich an mit funkelnden Augen. Hatte noch
niemals solche Augen bei einer Weibsperson
gesehen und mußte an die schwarze Katze
denken. Ließ drei Tage das Maul hängen und
vergoß eines Mittags, als die Kaiserin gerade
ein gebratenes Spanferkel anschnitt, das zu sehr
gepfeffert, bittre Tränen des Unmuts. Das
rührte die Gemahlin, und sie sagte, ich solle
mir den Verlust der Perl' nicht so zu Herzen
nehmen, hätte doch das unschätzbarste Kleinod
auf Erden dafür eingetauscht, und wolle sie
manchmal die Perl' mir zum Spielen geben. —
War doch ein schönes, ehrliches Gemüt, die
Kaiserin! —
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