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Jetzt rauschten zwei Flügeltüren auf, ein
prächtiger Saal zeigte sich, von vielen Fackeln
erleuchtet, die von den Marmorwänden wider-
strahlten; in der Mitte stand eine Tafel.
Man setzte sich, der Wein perlte in Gold,
die Mädchen nippten mit Rosenlippen an den
Bechern und reichten sie dann dem König;
aber Timurs Seele war traurig, er senkte den
Blick, und all die Herrlichkeit und all die
Schönheit ging verloren an ihm. Da er aber
die Augen aufschlug, sah er eine Gestalt an
der Ecke des Saals ihm gegenüber, an eine
Säule gelehnt stehen, sie war ganz schwarz
und dicht verhüllt und blieb immer un-
beweglich. Timur betrachtete sie lange und
oft, eine tiefe Sehnsucht zog ihn zu ihr; das
Mahl deuchte ihm unendlich lange, und es
ward ihm erst wohl, als man sich erhob.

Die Mädchen verließen den Saal, aber jede
sandte ihm noch einladende Blicke er folgte
keiner und sah sich endlich allein mit der
schwarzen Gestalt, die Fackeln erloschen, nur
ein einziges bleiches Licht durchdämmerte den
Saal. Die schwarze Gestalt nahte sich ihm und
sprach: „Folge mir!" Er gehorchte; und sie
führte ihn durch seltsame unterirdische Gänge
auf einen Fels. Der Mond glänzte eben im vol-
len Lichte, und Timur erkannte schauernd den
Fels und das Meer, in welches er Emar hinab-
geschleudert hatte. Seine Führerin schlug den
Schleier zurück. Es war Thia. „Geist meines
Vaters!" rief sie, „laß dich dieses Opfers ent-
sühnen." Sie schlang ihren Arm um den König
und stürzte sich mit ihm die Felsen hinunter,
daß ihr Blut sich mischte und hinabrauchte
zur wogenden See.

DAS TREIBHAUS

WUNDERLICHES UND ABSONDERLICHES

Der Churfürstliche Ober-Schenke von der
Lie erzählt:

Wie der Teufel mit seiner Groß-
Mutter zu Br aunschweig eine große
Hochzeit celebriret. Kurtz nach geen-
digtem deutschem Kriege hat ein Kayserlicher
Oberster, Meincke von Peine genannt, in der
Stadt Braunschweig gewöhnet, zu dem kommt
bey Nächtschlaffender Zeit ein Gespenst,
wecket ihn auff, diesen Obersten bey seinem
Namen nennend, und bittet ihn, daß er ihme
auff der dritten N acht hier auff in seinem Hause
den großen Saal leyhen wolte, der Teuffel

wolte mit seiner Groß-Mutter alsdenn seine
Hochzeit in besagten Saale celebriren, und wie
sich nun dessen anfänglich Meincke von Peine
wegert, vorwendende, daß er mit ihme Nichtes
zu schaffen habe, schlägt der Teuffel pro tem-
peramento vor, daß er die Geistlichen zu
Braunschweig darüber consuliren könnte, die-
weil es ihm wohl wissend wäre, daß sie es
ihme nicht wiederrathen würden, wie auch
geschieht. Und wie darauff in der andern
Nacht der Teuffel wieder zu ihm kommt,
williget Meincke von Peine in sein Begehren,
darauff sich dann der Teuffel dessen höflichst
 
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