Hand in der seinen fühlen zu dürfen. Mit
absichtlich übertriebener Grandezza und ge-
künsteltem Ehrfurchtslächeln wandte er sich
nochmals um. Geziert ergriff er die Hand,
die zögernd nachgab. Mit einem leise ge-
hauchten „Dank, Dank Meister“ beugte sich
Johannes vor und berührte die Hand mit den
Lippen. Die schrak zusammen und entglitt
ihm. Johannes lachte noch gezwungen über
seinen „Witz“ und schwang gekünstelt den
Hut unter viel Verbeugungen. Als er die
dunkle Stiege hinuntertastete, zitterten seine
Knie. Er schauderte zurück, als er die feuchte,
marmorierte Wand berührte.
Nachts träumte Johannes von den lebenden
Händen mit dem kalten, grünen Auge. Das
schloß sich plötzlich langsam und öffnete sich
träge wie das Auge des Uhus, wie ein weißer
Rolladen.
Seitdem ging Johannes nicht mehr zu Vin-
zenz Volker und arbeitete fieberhaft in seinem
Atelier. Nach vier V/ochen ging Vinzenz hin,
ihn zu besuchen. Er betrat das gemütliche
Wohnatelier und schob leise den rostfarbenen
Vorhang, der Werkstatt und Ruhstatt trennte,
zurück. Johannes hörte ihn nicht. Er model-
lierte zwei Hände, die miteinander rangen in
wilder Leidenschaft. Überall sah Vinzenz
ruhende, bewegte, grellfarbige, kaltweiße Hände
in Gips, Ton, ja Holz gearbeitet umherliegen.
An den Wanden hingen sie stolz, still, ver-
zweifelt, hochmütig, demütig, betend, zur Faust
geballt, hingebend sich öffnend. Lange stand
Vinzenz in Schauen vertieft. Da sah Johannes
auf. Er erschrak und stellte sich vor die Öffnung
des Vorhangs. Er war bleich und ein bittender
Ausdruck lag in seinen Augen. Lächelnd schob
ihn Vinzenz beiseite und sagte mit einem strah-
lenden Blick auf die Arbeiten Johannes’: „Das
bin ja ich!“
Von da ab war Johannes wieder täglich zu
Gast bei Vinzenz Volker. Die Hände ließen ihn
nicht los. Die schlanken, feingeformten Glieder
und das grausame Einauge hielten ihn in Bann —
Einmal tanzten sie berauschend wilden Tanz.
Und als sie zitternd wieder in Vinzenz Schoß
ruhten, fiel Johannes vor, wühlte sein brennen-
des Gesicht in die kühlen, bleichen Hände und
küßte sie wild und gierig. Da bäumten sie sich
auf, griffen grausam in Johannes' verwirrtes
Haar und Vinzenz' Stimme klang unerbittlich:
„Johannes — du bist ja krank — geh!“ Da
glühte es in Johannes Stirn. Taumelnd tappte
er zur Türe.
Als er andern Tags wiederkam, war Vin-
zenz nicht zu Hause. Die freundliche Witwe
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absichtlich übertriebener Grandezza und ge-
künsteltem Ehrfurchtslächeln wandte er sich
nochmals um. Geziert ergriff er die Hand,
die zögernd nachgab. Mit einem leise ge-
hauchten „Dank, Dank Meister“ beugte sich
Johannes vor und berührte die Hand mit den
Lippen. Die schrak zusammen und entglitt
ihm. Johannes lachte noch gezwungen über
seinen „Witz“ und schwang gekünstelt den
Hut unter viel Verbeugungen. Als er die
dunkle Stiege hinuntertastete, zitterten seine
Knie. Er schauderte zurück, als er die feuchte,
marmorierte Wand berührte.
Nachts träumte Johannes von den lebenden
Händen mit dem kalten, grünen Auge. Das
schloß sich plötzlich langsam und öffnete sich
träge wie das Auge des Uhus, wie ein weißer
Rolladen.
Seitdem ging Johannes nicht mehr zu Vin-
zenz Volker und arbeitete fieberhaft in seinem
Atelier. Nach vier V/ochen ging Vinzenz hin,
ihn zu besuchen. Er betrat das gemütliche
Wohnatelier und schob leise den rostfarbenen
Vorhang, der Werkstatt und Ruhstatt trennte,
zurück. Johannes hörte ihn nicht. Er model-
lierte zwei Hände, die miteinander rangen in
wilder Leidenschaft. Überall sah Vinzenz
ruhende, bewegte, grellfarbige, kaltweiße Hände
in Gips, Ton, ja Holz gearbeitet umherliegen.
An den Wanden hingen sie stolz, still, ver-
zweifelt, hochmütig, demütig, betend, zur Faust
geballt, hingebend sich öffnend. Lange stand
Vinzenz in Schauen vertieft. Da sah Johannes
auf. Er erschrak und stellte sich vor die Öffnung
des Vorhangs. Er war bleich und ein bittender
Ausdruck lag in seinen Augen. Lächelnd schob
ihn Vinzenz beiseite und sagte mit einem strah-
lenden Blick auf die Arbeiten Johannes’: „Das
bin ja ich!“
Von da ab war Johannes wieder täglich zu
Gast bei Vinzenz Volker. Die Hände ließen ihn
nicht los. Die schlanken, feingeformten Glieder
und das grausame Einauge hielten ihn in Bann —
Einmal tanzten sie berauschend wilden Tanz.
Und als sie zitternd wieder in Vinzenz Schoß
ruhten, fiel Johannes vor, wühlte sein brennen-
des Gesicht in die kühlen, bleichen Hände und
küßte sie wild und gierig. Da bäumten sie sich
auf, griffen grausam in Johannes' verwirrtes
Haar und Vinzenz' Stimme klang unerbittlich:
„Johannes — du bist ja krank — geh!“ Da
glühte es in Johannes Stirn. Taumelnd tappte
er zur Türe.
Als er andern Tags wiederkam, war Vin-
zenz nicht zu Hause. Die freundliche Witwe
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