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Ebers.

meine Berichte und befragt mich eifrig über
die Einzelheiten, Es belustigt mich, ihn von
widerstreitenden Wünschen hin- und herge-
zogen zu sehen — einesteils sollseinPatientder
beunruhigenden Erscheinungen ledig werden,
andernteils das Medium (denn als solches be-
trachtet er mich) dies Geheimnis vergangener
Zeiten auflösen. Er empfahl mir dauernde
Ruhe, widersprach mir jedoch nicht zu ener-
gisch, als ich erklärte, dal? so etwas ganz außer
Frage stünde, bevor die übrigen zehn Haupt-
bücher durchgeprüft wären.

17. Jänner. — Drei Nächte hindurch hatte
ich keine Erlebnisse — mein Rasttag ist von
guter Wirkung gewesen. Nur mehr ein Viertel
meiner Arbeit ist übrig; ich habe allerdings
noch einen Gewaltmarsch vor mir, denn die
Advokaten fordern mit Ungeduld ihr Material.
Ich werde ihnen genug einhändigen, mehr als
genug. Ich habe meinen Mann beim Kragen,
mit hundert Beweisen. Wenn sie sich vor
Augen halten, was für ein glatter, verschlagener
Spitzbube er ist, dann sollte mir ein gehöriger
Nutzen aus dem Fall erwachsen. Falsche Fak-
turen, falsche Bilanzen, Dividenden vom Kapi-
Verluste als Gewinn gebucht, veruntreute

Arbeitslöhne, unsaubere Manipulationen mit
der Handkasse — es ist ein hübscher Rekord!

18. Jänner. — Kopfschmerzen, nervöse
Zuckungen, Dämmerzustände, Druck in den
Schläfen — alle Vorboten arger Anfälle, und
die Anfälle stellten sich auch pünktlich genug
ein. Und doch fürchte ich eigentlich nicht so
sehr das Wiederkommen der Visionen, als die
Möglichkeit ihres Aufhörens, bevor alles seine
Aufklärung gefunden hat.

Heute nachts aber sah ich mehr als bisher.
Der kauernde Mann war nicht minder deut-
lich zu erkennen wie die Dame, an deren Kleid
er sich festklammerte. Er ist ein kleiner, ge-
bräunter Bursche mit einem schwarzen Spitz-
bart. Sein loses Gewand ist von Damast und
mit Pelz verbrämt. Die vorherrschende Farbe
seiner Kleidung ist rot. Wie sichtlich geäng-
stigt der Mensch ist! Er duckt sich und er-
schauert und stiert nach rückwärts über die
Schulter. Seine andere Hand umschließt ein
kleines Messer, das sie nicht gebrauchen kann,
weil sie viel zu zitterig und feig ist. Allmäh-
lich und erst noch undeutlich nehme ich die
Gestalten im Hintergründe wahr. Grimmige
Gesichter, bärtig und finster, tauchen aus dem

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