Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
er in eine zerschlissene Livree gesteckt, dal? er
anzusehen war, wie der Reitknecht eines ver-
armten Landjunkers, der auszieht, um mit den
letzten Talern die hartnäckigen Gläubiger
seines Herrn zu besänftigen. — Er war kaum
eine Viertelmeile auf der braunen Heide, all-
wo das Jüngferlein so unversehens zum Tanz
gekommen war, auf seinem Zottelbär ein-
her gewackelt, als der Besitzer der Werk-
statt plötzlich aus einem "Walde sprengte und
zu ihm sprach: „Ehe du diese Strafe weiter
ziehst, mul?t du Maut bezahlen und da ich nach
deinem Aussehen schließe, daß du nicht allzu-
viele Taler im Beutel hast, so gib gleich alle
her !“

„Ach Herr,“ jammerte der Bursche und rang
die Hände, „das Geld gehört meinem Herrn
Junker, ich soll damit Schulden bezahlen und
wenn ich's verliere, so schießt er mich entzwei.“

„Was kümmert mich dein Junker!“, schrie
der Tanzmeister und hielt ihm zwei kurze
Terzerolen unter die Nase. „Entweder gibst
du mir die Taler oder ich nehme sie mir selbst.
Aber bevor ich das tue, hast du zwei Kugeln
in deinem Kürbiskopf.“

,Ja Herr, wenn es nicht anders geht“, sagte
der Stallknecht und schlotterte mit den Kinn-
backen, daß es wie das Klopfen eines Spechtes
klang. „Da habt Ihr das Geld.“

Der ehrliche Mann
nahm die Mautgebühr
und wendete sein Pferd,
um in den Wald zu
reiten, woher er ge-
kommen war.

Da rief der Bursche:

„Herr B aron, mein Herr
zieht mir auch noch das
Fell über die Ohren,
wenn ich ihm nicht we-
nigstens den Beweis er-
bringe, daß mir Euer
Hochgeboren das Geld
genommen haben. Seht,
ich will meinen Rock

an diesen Ast hängen, habt Erbarmen mit einem
elenden Knecht und schießt mir doch eine Kugel
durch den V/ams.“

„Wenn's weiter nichts ist“, brummte der
Tanzmeister, stieg wie der Bursche vom Roß
und band es neben dem grasfressenden Säge-
bock an, „so will ich dir den Gefallen tun“.

„Ach ja, tut es“, winselte der Stallknecht und
stand auf zitternden Beinen neben dem ehrlichen
Manne. Der zielte und schoß.

„Und jetzt noch eine durch den Hut! Ihr
kennt ja meinen Herrn nicht, der prügelt mich
sonst tot“, bat der Bursche und hängte den Hut
an den Ast.

„Tölpel!“ schrie der Tanzmeister und schoß
nach dem Hut. „V/illst du noch etwas?“

„Ach ja, lieber Herr,“ antwortete der Bursche
und zog zwei doppelläufige Pistolen, „meine
Taler und Euch selbst, denn Eure Terzerolen
sind ausgeschossen, ich aber habe noch vier
Kugeln in den Läufen, die ich Euch auf Euren
Pelz brennen will, wenn Ihr nicht sogleich
Euer Pferd nehmt und manierlich vor mir her-
marschiert.“

Wutend stürzte sich der Tanzmeister auf
ihn los, aber vier Löcher, die ihm vor den
Augen tanzten und schwarz wie die Hölle
waren, brachten ihn zum Stehen. Und so
band er sein Pferd los und marschierte ge-
horsam vor dem Ver-
räter her.

Am Abend begrüßte
in der Stadt das Spott-
geschrei der Menge, die
ja immer nur den Wehr-
losen höhnt, den ehr-
lichen Mann.

Und wieder frage ich:
müßte diese Geschichte
nicht recht eigentlich
unter dem Titel: „Un-
dank ist der Welten
Lohn“ in den Lese-
büchern aller Schulen
stehen?
 
Annotationen