mein Herr, mit Rücksicht darauf, dal? ein
Weib dem Judas seine Tür aufgetan hatte.
Denn jener alte Landstreicher war der Ewige
Jude.
M an erfuhr es nicht sogleich in der Gegend,
aber man vermutete es bald, weil er immer-
fort herumging, so sehr war es ihm zur Ge-
wohnheit geworden.
Ein anderer Grund hatte die Vermutungen
entstehen lassen. Diese Frau, die den Unbe-
kannten bei sich behielt, galt für eine Jüdin,
denn man hatte sie nie in der Kirche gesehen.
Auf zehn Meilen in der Runde nannte man
sie nur ,die Jüdin*.
Wenn die kleinen Landkinder sie erblickten,
wie sie betteln kam, riefen sie: ,Mutter, Mutter,
die Jüdin ist da!*
Der Alte und sie begannen die benachbarten
Ortschaften zu durchwandern, die Hand an
alle Türen gelegt, ihre Bitten allen Vorüber-
gehenden in den Rücken murmelnd. Man sah
sie zu allen Stunden des Tages, auf verlorenen
Feldwegen, am Rande der Dörfer oder wohl
auch im Schatten eines einsamen Baumes in
der gewaltigen Hitze des Mittags ein Stück
Brot verzehrend.
Und man fing an in der Gegend den Bettler
.Vater Judas* zu nennen.“
„Eines Tages nun brachte er in seinem Quer-
sack zwei kleine lebende Schweine heim, die
man ihm auf einem Gutshof geschenkt hatte,
weil er den Pächter von einer Krankheit ge-
heilt hatte.
Und bald hörte er zu betteln auf, ganz da-
mit beschäftigt, seine Schweine zum Fressen
zu führen, sie den Weiher entlang zu leiten,
unter die abgesonderten Eichen, in die kleinen
Täler der Nachbarschaft. Die Frau hingegen
irrte ohne Unterlaß auf der Suche nach Al-
mosen umher, kam aber allabendlich zurück.
Auch er ging niemals in die Kirche, und
man hatte ihn nie das Kreuzeszeichen vor den
Schädelstätten machen gesehen. Alles dies er-
regte viel Gerede.
Eines Nachts ward seine Gefährtin vom
Fieber ergriffen und begann zu zittern wie ein
vom Winde bewegtes Tuch. Er begab sich
in den Marktflecken, um Arzneien zu holen,
dann schlol? er sich ein bei ihr, und sechs Tage
lang sah man ihn nicht wieder
Aber der Pfarrer, der vernommen hatte,
dal? die .Jüdin* im Begriff sei, zu verscheiden,
machte sich auf den Weg, die Tröstungen sei-
nes Glaubens der Sterbenden zu bringen, und
bot ihr die letzten Sakramente an. War sie
eine Jüdin? Er wul?te es nicht. Er wollte auf
jeden Fall ihre Seele zu retten versuchen.
I O
Weib dem Judas seine Tür aufgetan hatte.
Denn jener alte Landstreicher war der Ewige
Jude.
M an erfuhr es nicht sogleich in der Gegend,
aber man vermutete es bald, weil er immer-
fort herumging, so sehr war es ihm zur Ge-
wohnheit geworden.
Ein anderer Grund hatte die Vermutungen
entstehen lassen. Diese Frau, die den Unbe-
kannten bei sich behielt, galt für eine Jüdin,
denn man hatte sie nie in der Kirche gesehen.
Auf zehn Meilen in der Runde nannte man
sie nur ,die Jüdin*.
Wenn die kleinen Landkinder sie erblickten,
wie sie betteln kam, riefen sie: ,Mutter, Mutter,
die Jüdin ist da!*
Der Alte und sie begannen die benachbarten
Ortschaften zu durchwandern, die Hand an
alle Türen gelegt, ihre Bitten allen Vorüber-
gehenden in den Rücken murmelnd. Man sah
sie zu allen Stunden des Tages, auf verlorenen
Feldwegen, am Rande der Dörfer oder wohl
auch im Schatten eines einsamen Baumes in
der gewaltigen Hitze des Mittags ein Stück
Brot verzehrend.
Und man fing an in der Gegend den Bettler
.Vater Judas* zu nennen.“
„Eines Tages nun brachte er in seinem Quer-
sack zwei kleine lebende Schweine heim, die
man ihm auf einem Gutshof geschenkt hatte,
weil er den Pächter von einer Krankheit ge-
heilt hatte.
Und bald hörte er zu betteln auf, ganz da-
mit beschäftigt, seine Schweine zum Fressen
zu führen, sie den Weiher entlang zu leiten,
unter die abgesonderten Eichen, in die kleinen
Täler der Nachbarschaft. Die Frau hingegen
irrte ohne Unterlaß auf der Suche nach Al-
mosen umher, kam aber allabendlich zurück.
Auch er ging niemals in die Kirche, und
man hatte ihn nie das Kreuzeszeichen vor den
Schädelstätten machen gesehen. Alles dies er-
regte viel Gerede.
Eines Nachts ward seine Gefährtin vom
Fieber ergriffen und begann zu zittern wie ein
vom Winde bewegtes Tuch. Er begab sich
in den Marktflecken, um Arzneien zu holen,
dann schlol? er sich ein bei ihr, und sechs Tage
lang sah man ihn nicht wieder
Aber der Pfarrer, der vernommen hatte,
dal? die .Jüdin* im Begriff sei, zu verscheiden,
machte sich auf den Weg, die Tröstungen sei-
nes Glaubens der Sterbenden zu bringen, und
bot ihr die letzten Sakramente an. War sie
eine Jüdin? Er wul?te es nicht. Er wollte auf
jeden Fall ihre Seele zu retten versuchen.
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