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Kaum hatte er die Türe berührt, als der
Vater Judas auf der Schwelle erschien, keu-
chend, mit entflammten Augen, wallenden gro-
ßen Bartes wie ein wogendes Gewässer, und
in einer unbekannten Sprache Worte der
Schmähung schrie, seine mageren Arme vor-
gestreckt, um dem Priester den Eintritt zu
verwehren.

Der Pfarrer wollte reden, seine Börse und
seine Fürsorge anbieten, aber der Greis be-
schimpfte ihn unablässig und bewegte die
Hände, wie um ihn mit Steinen zu bewerfen.

Und der Priester zog sich zurück, von den
Verfluchungen des Bettlers verfolgt.

Am folgenden Tage starb die Gefährtin des
Vaters Judas. Er begrub sie selbst vor seiner
Tür. Es waren so geringe Leute, daß man sich
nicht darum kümmerte.

Und man sah wiederum den Mann seine
Schweine den Weiher entlang und auf die
Anhöhe treiben. Oft begann er auch wieder
zu betteln, um leben zu können. Aber man gab
ihm fast nichts mehr, so viele Geschichten
gingen um über ihn. Und jedermann wußte
auch, auf welche Weise er den Pfarrer emp-
fangen hatte.

Er verschwand. Das war in der Charwoche.
Man beunruhigte sich kaum darob.

Aber am Pfingstmontag hörten Knaben und
Mädchen, die am Weiher spazieren gingen,
einen großen Lärm in der Hütte, Die Tür war
verschlossen; die Knaben erbrachen sie, und
die beiden Schweine flüchteten unter Bock-
sprüngen. Man hat sie nie wieder erblickt.

Dann, als alle eingetreten waren, bemerkte
man auf der Erde ein paar alte Wäschestücke,
den Hut des Bettlers, einige Knochen, getrock-
netes Blut und Fleischreste in den Höhlungen
eines Totenkopfes.

Seine Schweine hatten ihn zerrissen.“

Und Vater Joseph fügte hinzu: „Das war
geschehen, mein Herr, am Karfreitag um drei
Uhr nachmittags.“

Ich fragte: „Wieso wißt Ihr das?“

Er antwortete: „Das ist nicht zu bezweifeln.“
Ich versuchte nicht, ihm begreiflich zu ma-
chen, wie natürlich es war, daß die hungrigen
Tiere ihren plötzlich in seiner Hütte ver-
storbenen Herrn aufgefressen hätten.

„Was das Kreuz an der Mauer betrifft, so
war es eines Morgens erschienen, ohne daß
man erfuhr, wessen Hand es mit dieser selt-
samen Farbe hingemalt hatte.

Seit damals zweifelt m an nicht mehr daran, daß
der Ewige Jude an jenem Orte gestorben sei.“
Ich selbst glaubte eine Stunde lang daran.

VORANZEIGE!

Vielfachen Vfixnschen unserer Ab onnenten und Inserenten entsprechend, lassen wir eine
zweite „Detehtivnummer folgen.


Das nächste Heft (Heft 16) erscheint als Sondernummer:

„DETEKTIVGESCHICHTEN“

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Auch die Auflage dieser Nummer hann infolge Papiermangels nicht erhöht werden. Wir
bitten, Bestellungen daher umgehend an den Verlag gelangen zu lassen.

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