das Uhrwerk auf zog, so las diese Figur, Sie
las immer dieselben Stückchen und immer
mit denselben albernen Grimassen und Ge-
bärden.
Meinen Vater ergötzte dies. Er setzte diesen
Automat allen Dichtern seines Hofes als Mu-
ster und Beispiel vor, und bald sab man in der
Literatur und auf der Bühne ein unendlich
langweiliges Genre matter, trockner und ab-
surder Possen entstehen, die unter dem Namen
von Kindermärchen ausgeboten wurden. Wenn
ich bedachte, wie lustig und wild meine Kind-
heit gewesen, so erschrak ich doppelt vor die-
sen von dem alten Automaten ausgehenden
Kindermärchen. Unser Theater wurde jetzt
altchinesisch. Die andern beiden Figuren
übten durch ihre Leistungen zwar auch eine
einschläfernde Wirkung, aber sie berührten
mich nicht so unmittelbar wie der Leseautomat.
Ich schlief nun schon nicht allein regelmäßig die
Nächte, sondern auch schon sogar einige Stun-
den am Tage. Mein Vater aber wollte eine voll-
kommene Besserung
bewirken, und da
geschah das Unglück.
Er verdarb etwas an
dem Uhrwerk, dies
ließ sich jetzt nicht
mehr regieren, und
nun ereignete sich
das Entsetzliche, daß
die Figuren in un-
unterbrochener Tä-
tigkeit sich beweg-
ten. Es war keine
Rettung. Der Lese-
automat wütete
gleichsam; er
schnurrte und
knurrte ohne alle
Unterbrechung, und
zwar siebzig Tra-
gödien hinterein-
ander. Wir sanken
alle in Schlaf. Mein
Vater schlief ein,
ich, der ganze Hof,
die Dienerschaft im 1*
Vorsaal schlief ein,
die Katzen und Vö-
gel auf dem Dache
schliefen ein, die Hunde und das Geflügel
auf dem Hofe. Zuletzt war es im ganzen
Schlosse todesstill, und nur die unglückselige
Figur wütete fort, bis die Räder alle ab-
gelaufen waren und das Uhrwerk stille stand.
Nun wuchsen die Bäume ums Schloß herum
zu riesiger Höhe, und die Spinnengewebe und
der Staub legte sich über die ganze Gegend.
Ach, ich habe das alles im voraus kommen
sehen/'
Die Prinzessin hielt hier inne und sah mich
mit einem jammervollen Blick an, der mein
Herz in Mitleid schmolz. „Ach, meine
Schöne,“ rief ich, „wie läßt sich hier helfen
und retten? "
„Nur dadurch,“ entgegnete sie, „daß einer
den Mut hat, die bösen drei Figuren auf
die Schultern zu laden und sie dabin zu-
rückzubringen, woher sie gekommen. Dann
wird alles im Schloß wieder erwachen und
auf atmen. Mein Vater, der in seinen Lieb-
habereien zum Glück sehr veränderlich ist,
wird sich, durch dieses Beispiel gewarnt, dem
frischen Leben der Gegenwart, dem jungen
und kühnen Talente, das belehrt, belu-
stigt und erhebt zugleich, zuwenden, und
der Zauber, den das Alte, Bestaubte, Lang-
weilige bis jetzt auf
ihn geübt, wird ge-
brochen sein. Ich
werde nicht mehr
zu schlafen brau-
chen, das ganze
Land wird nicht
mehr zu schla-
fen brauchen. O
Himmel, welch ein
Glück!“
„Gehorsamer Die-
ner, meine Schöne“,
entgegnete ich.
„Wer soll denn
dies Wunderwerk
vollbringen;? Wer
soll die Automaten
hinausschaffen ?“
„Sie mein edler
Ritter“, sagte die
schöneSiebenschlä-
ferin mit bezau-
bernder Stimme.
las immer dieselben Stückchen und immer
mit denselben albernen Grimassen und Ge-
bärden.
Meinen Vater ergötzte dies. Er setzte diesen
Automat allen Dichtern seines Hofes als Mu-
ster und Beispiel vor, und bald sab man in der
Literatur und auf der Bühne ein unendlich
langweiliges Genre matter, trockner und ab-
surder Possen entstehen, die unter dem Namen
von Kindermärchen ausgeboten wurden. Wenn
ich bedachte, wie lustig und wild meine Kind-
heit gewesen, so erschrak ich doppelt vor die-
sen von dem alten Automaten ausgehenden
Kindermärchen. Unser Theater wurde jetzt
altchinesisch. Die andern beiden Figuren
übten durch ihre Leistungen zwar auch eine
einschläfernde Wirkung, aber sie berührten
mich nicht so unmittelbar wie der Leseautomat.
Ich schlief nun schon nicht allein regelmäßig die
Nächte, sondern auch schon sogar einige Stun-
den am Tage. Mein Vater aber wollte eine voll-
kommene Besserung
bewirken, und da
geschah das Unglück.
Er verdarb etwas an
dem Uhrwerk, dies
ließ sich jetzt nicht
mehr regieren, und
nun ereignete sich
das Entsetzliche, daß
die Figuren in un-
unterbrochener Tä-
tigkeit sich beweg-
ten. Es war keine
Rettung. Der Lese-
automat wütete
gleichsam; er
schnurrte und
knurrte ohne alle
Unterbrechung, und
zwar siebzig Tra-
gödien hinterein-
ander. Wir sanken
alle in Schlaf. Mein
Vater schlief ein,
ich, der ganze Hof,
die Dienerschaft im 1*
Vorsaal schlief ein,
die Katzen und Vö-
gel auf dem Dache
schliefen ein, die Hunde und das Geflügel
auf dem Hofe. Zuletzt war es im ganzen
Schlosse todesstill, und nur die unglückselige
Figur wütete fort, bis die Räder alle ab-
gelaufen waren und das Uhrwerk stille stand.
Nun wuchsen die Bäume ums Schloß herum
zu riesiger Höhe, und die Spinnengewebe und
der Staub legte sich über die ganze Gegend.
Ach, ich habe das alles im voraus kommen
sehen/'
Die Prinzessin hielt hier inne und sah mich
mit einem jammervollen Blick an, der mein
Herz in Mitleid schmolz. „Ach, meine
Schöne,“ rief ich, „wie läßt sich hier helfen
und retten? "
„Nur dadurch,“ entgegnete sie, „daß einer
den Mut hat, die bösen drei Figuren auf
die Schultern zu laden und sie dabin zu-
rückzubringen, woher sie gekommen. Dann
wird alles im Schloß wieder erwachen und
auf atmen. Mein Vater, der in seinen Lieb-
habereien zum Glück sehr veränderlich ist,
wird sich, durch dieses Beispiel gewarnt, dem
frischen Leben der Gegenwart, dem jungen
und kühnen Talente, das belehrt, belu-
stigt und erhebt zugleich, zuwenden, und
der Zauber, den das Alte, Bestaubte, Lang-
weilige bis jetzt auf
ihn geübt, wird ge-
brochen sein. Ich
werde nicht mehr
zu schlafen brau-
chen, das ganze
Land wird nicht
mehr zu schla-
fen brauchen. O
Himmel, welch ein
Glück!“
„Gehorsamer Die-
ner, meine Schöne“,
entgegnete ich.
„Wer soll denn
dies Wunderwerk
vollbringen;? Wer
soll die Automaten
hinausschaffen ?“
„Sie mein edler
Ritter“, sagte die
schöneSiebenschlä-
ferin mit bezau-
bernder Stimme.