Aber es vergingen vier Tage, bis etwas von
Bedeutung geschah. Das war Samstag früh-
morgens, so gegen sieben Uhr. Ich stand unten
in der Halle, als ein Junge von vierzehn oder
siebzehn Jahren mit einer Kappe vomMagasin
Dufayel herein kam. ,Für Monsieur Bondy\
sagte er, und legte ein Paket auf den Portier-
tisch. Der Portier war noch nicht unten. Ich
warf einen Blick auf das Paket. Während ich
dies tat, glaubte ich zu sehen, dal? der Junge
eine Bewegung nach dem Tisch machte, auf
dem die Hotelpost lag, aber wenn er es tat, so
ging es so rasch, dal? ich nichts Rechtes aus-
nehmen konnte, und dann ging er ohne weiteres
seiner Wege. Ich stand da und dachte nach,
ob ich recht gesehen hatte, und im selben
Augenblick kam der Portier. ,Das hier ist für
Monsieur Bondy vom Magasin Dufayel', sagte
ich — ,Monsieur Bondy', sagte der Portier,
,wir haben keinen Monsieur Bondy im Hotel,
das wird wohl jemand sein, der erst kommt.'
Da hatte ich eine neue Idee. Der Portier
ging auf die Vortreppe und sonnte sich, bevor
er seine Arbeit begann. Ich stürzte mich wie
ein Habicht auf die Post und sortierte sie, so
rasch meine Finger gehen wollten. Es waren
etwa dreißig oder vierzig Briefe da; ich suchte
nur nach denen, die an Madame Balbi waren.
Es waren drei — und einer davon vom Maga-
sin Dufayel. Ach, der dumme Junge, Lafforgue
hiel? er wohl! Hatte er doch den Brief ohne
weiteres dagelassen! Nun hatte ich ,schnell
wie der Blitz' den Brief in der Tasche.
Es dauerte bis nach dem Morgenkaffee in
der Baibischen V/ohnung, bis ich dazu kam,
den Brief zu öffnen — über einer Spirituslampe
mit einem Wasserkessel, Monsieur. Und da
verlor ich wieder den Faden. Das Kuvert
enthielt tatsächlich eine Rechnung und auf
dieser stand:
Mm. C. Balbi vom Maison Dufayel.
7./VI. An Leinenwaren.Fr. 60.—
Diverse Unterkleider „ 48.50
Zigaretten Nestor .. .. „ 20.—
Für Maison Dufayel:
S. B.
Was sollte das heil?en? Ich dachte mit der
Rechnung in der Hand gut zwanzig Minuten
nach — das war unleugbar eine Rechnung.
Allerdings war es eine wunderliche Zusammen-
stellung von Wdren, aber man weil? ja, wie die
Damen Einkäufe machen, und hei Dufayel be-
kommt man ja alles, von Automobilen bis zu
Rauchtabak. Um nichts zu riskieren, legte ich
schließlich die Rechnung wieder in das Kuvert
und übergab sie selbstMadameBalbi. Sie nahm
sie ganz gleichgültig entgegen und ich war noch
niedergeschlagener als früher. Ich war in elender
Laune bis fünf Minuten über halb zwölf — da
machte ich einen Luftsprung und stürzte zu Louis
Boffini hinunter.
,Louis\sagte ich,,sag' mir eines,hat der junge
Signor Balbi geraucht?'
,Geraucht?' sagte Louis ,wie ein Vulkan!
Er hatte kaum eine Zigarette fertig als er schon
die nächste ansteckte.'
Wissen Sie, was ich im nächsten Augenblick
machte, Monsieur Chassel? Ich verabschiedete
mich auf holländisch vom Hotel ohne irgend
jemanden ein V/ort zu sagen. Standen nicht
Zigaretten für 20 Franken auf dieser Rechnung,
die für Maison Dufayel S. B. signiert war und
hatte ich jetzt nicht schon durch zwei Tage
gesehen, daß die Herrschaften Balbi nie eine
Zigarette geraucht hatten, Ciel! Das sah doch
nach einer Spur aus! Ich verlor nicht mehr Zeit,
als absolut notwendig war, um mich in Zivil
umzukleiden, und es war noch nicht zwölf Uhr,
als ich in der Bar gegenüber dem Hotel des
Palmiers auf Posten saß. Ich brauchte nicht
lange zu warten.
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Bedeutung geschah. Das war Samstag früh-
morgens, so gegen sieben Uhr. Ich stand unten
in der Halle, als ein Junge von vierzehn oder
siebzehn Jahren mit einer Kappe vomMagasin
Dufayel herein kam. ,Für Monsieur Bondy\
sagte er, und legte ein Paket auf den Portier-
tisch. Der Portier war noch nicht unten. Ich
warf einen Blick auf das Paket. Während ich
dies tat, glaubte ich zu sehen, dal? der Junge
eine Bewegung nach dem Tisch machte, auf
dem die Hotelpost lag, aber wenn er es tat, so
ging es so rasch, dal? ich nichts Rechtes aus-
nehmen konnte, und dann ging er ohne weiteres
seiner Wege. Ich stand da und dachte nach,
ob ich recht gesehen hatte, und im selben
Augenblick kam der Portier. ,Das hier ist für
Monsieur Bondy vom Magasin Dufayel', sagte
ich — ,Monsieur Bondy', sagte der Portier,
,wir haben keinen Monsieur Bondy im Hotel,
das wird wohl jemand sein, der erst kommt.'
Da hatte ich eine neue Idee. Der Portier
ging auf die Vortreppe und sonnte sich, bevor
er seine Arbeit begann. Ich stürzte mich wie
ein Habicht auf die Post und sortierte sie, so
rasch meine Finger gehen wollten. Es waren
etwa dreißig oder vierzig Briefe da; ich suchte
nur nach denen, die an Madame Balbi waren.
Es waren drei — und einer davon vom Maga-
sin Dufayel. Ach, der dumme Junge, Lafforgue
hiel? er wohl! Hatte er doch den Brief ohne
weiteres dagelassen! Nun hatte ich ,schnell
wie der Blitz' den Brief in der Tasche.
Es dauerte bis nach dem Morgenkaffee in
der Baibischen V/ohnung, bis ich dazu kam,
den Brief zu öffnen — über einer Spirituslampe
mit einem Wasserkessel, Monsieur. Und da
verlor ich wieder den Faden. Das Kuvert
enthielt tatsächlich eine Rechnung und auf
dieser stand:
Mm. C. Balbi vom Maison Dufayel.
7./VI. An Leinenwaren.Fr. 60.—
Diverse Unterkleider „ 48.50
Zigaretten Nestor .. .. „ 20.—
Für Maison Dufayel:
S. B.
Was sollte das heil?en? Ich dachte mit der
Rechnung in der Hand gut zwanzig Minuten
nach — das war unleugbar eine Rechnung.
Allerdings war es eine wunderliche Zusammen-
stellung von Wdren, aber man weil? ja, wie die
Damen Einkäufe machen, und hei Dufayel be-
kommt man ja alles, von Automobilen bis zu
Rauchtabak. Um nichts zu riskieren, legte ich
schließlich die Rechnung wieder in das Kuvert
und übergab sie selbstMadameBalbi. Sie nahm
sie ganz gleichgültig entgegen und ich war noch
niedergeschlagener als früher. Ich war in elender
Laune bis fünf Minuten über halb zwölf — da
machte ich einen Luftsprung und stürzte zu Louis
Boffini hinunter.
,Louis\sagte ich,,sag' mir eines,hat der junge
Signor Balbi geraucht?'
,Geraucht?' sagte Louis ,wie ein Vulkan!
Er hatte kaum eine Zigarette fertig als er schon
die nächste ansteckte.'
Wissen Sie, was ich im nächsten Augenblick
machte, Monsieur Chassel? Ich verabschiedete
mich auf holländisch vom Hotel ohne irgend
jemanden ein V/ort zu sagen. Standen nicht
Zigaretten für 20 Franken auf dieser Rechnung,
die für Maison Dufayel S. B. signiert war und
hatte ich jetzt nicht schon durch zwei Tage
gesehen, daß die Herrschaften Balbi nie eine
Zigarette geraucht hatten, Ciel! Das sah doch
nach einer Spur aus! Ich verlor nicht mehr Zeit,
als absolut notwendig war, um mich in Zivil
umzukleiden, und es war noch nicht zwölf Uhr,
als ich in der Bar gegenüber dem Hotel des
Palmiers auf Posten saß. Ich brauchte nicht
lange zu warten.
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