Er blickte gleichgültig auf, denn er erwartete
natürlich Laforgue. Aber als er mich erblickte,
kam Lehen in ihn. Und brüllend stürzte er auf
mich los: ,Was machst du hier?"
,Was machen Sie hier, Signor Balbi?‘
Da hätten Sie ihn sehen sollen! Wie ein
Stück Holz fiel er auf die Chaiselongue zurück
und starrte mich an, als hätte er ein Gespenst
vor sich. Nach einer V/eile stotterte er: ,Hat
Laforgue geklatscht, dann — — —‘
,Siemeinen denjungen vomMagasinDufayel,
Signor Balbi? Den brauchen Sie gar nicht zu
verwünschen, ich habe Sie auf eigene Faust ge-
funden. Und jetzt bleiben eigentlich nur noch
drei Dinge zu tun — — —‘
,Und die sind, wenn ich fragen darf?'
,ZwanzigTausendFrankenBelohnung an mich
für Ihre ^Viederauffindung, eine ausführliche
Notiz in den Zeitungen und ein demütiges Ent-
schuldigungsschreiben an die Polizei-sonst
nichts.1
Es war ein anstrengender Nachmittag, Mon-
sieur Chassel!
Es wurde fünf Uhr, bis ich denjungen Signor
Balbi überzeugen konnte, dal? ich die Oberhand
hatte. Wie oft er mir Prügel androhte, weil?
ich nicht mehr. Gegen fünf Uhr konnte ich
endlich fortgehen und dem Kondukteur der
Straßenbahn, die nach Pont St. Jean fuhr, einen
Brief übergeben.
Um sieben Uhr war Madame Balbi in
der Villa und um acht Uhr zog ich mit drei
Papieren in der Tasche ab und ließ die laut
heulende Mutter zurück, und Signor Balbi, der
vor lauter Fluchen darüber, daß noch kein
Rinnstein in ganz Neapel eine solche Zucht-
hauspflanze wie mich geboren hätte, ganz blau
im Gesicht war.
Gestern reisten Balbis in aller Eile ab und
heute brachte ich meine drei Papiere an. Das
erste beim Credit Lyonnais, das zweite beim
Polizeichef und das dritte bei den Zeitungen.
Ich änderte es im letzten Augenblicke noch
ein wenig ab, denn Signor Balbi tat mir
so leid.
Und das Motiv des Ganzen, Monsieur
Chassel? Darüber hatte ich eigentlich schon
eine halbe Ahnung als ich mit Louis Boffini
sprach. In meiner Ahnung wurde ich noch
darin bestärkt, als Sie am Morgen hereinkamen
und von dem eigentümlichen Brief an den alten
Si gnor Balbi erzählten. Um ganz sicher zu
sein, entlockteich noch Madame Balbi an jenem
Nachmittag in der Villa eine Bestätigung. Sie
wissen doch, in Italien sollen die Parlaments-
wahlen stattfinden, und in der nächsten Session
sollen die Traktate mit uns oder mit Deutsch-
land erneuert werden. Der alte Signor Balbi,
der die ganze AgenziaBalbi dirigiert, war eher
franzosenfreundlich, und seine Frau ist Öster-
reicherin — ich brauche wohl nicht mehr zu
sagen. Die AgenziaBalbi versorgt dieZeitungen
von halb Italien mit Notizen und Leitartikeln,
und um den Mann auf ihren Standpunkt hin-
überzubringen, arrangierte sie diese Affäre mit
dem Sohne, der ihr gehorcht wie ein Kind.
Und es wäre vielleicht geglückt, wenn nicht...
sieh’ da, Monsieur, jetzt sind wir in Marseille.
Gehen wir und feuchten wir den Zwanzig-
tausendfrankscheck mit einem Bock an!“
Karl Ritter / Ertappt
6
natürlich Laforgue. Aber als er mich erblickte,
kam Lehen in ihn. Und brüllend stürzte er auf
mich los: ,Was machst du hier?"
,Was machen Sie hier, Signor Balbi?‘
Da hätten Sie ihn sehen sollen! Wie ein
Stück Holz fiel er auf die Chaiselongue zurück
und starrte mich an, als hätte er ein Gespenst
vor sich. Nach einer V/eile stotterte er: ,Hat
Laforgue geklatscht, dann — — —‘
,Siemeinen denjungen vomMagasinDufayel,
Signor Balbi? Den brauchen Sie gar nicht zu
verwünschen, ich habe Sie auf eigene Faust ge-
funden. Und jetzt bleiben eigentlich nur noch
drei Dinge zu tun — — —‘
,Und die sind, wenn ich fragen darf?'
,ZwanzigTausendFrankenBelohnung an mich
für Ihre ^Viederauffindung, eine ausführliche
Notiz in den Zeitungen und ein demütiges Ent-
schuldigungsschreiben an die Polizei-sonst
nichts.1
Es war ein anstrengender Nachmittag, Mon-
sieur Chassel!
Es wurde fünf Uhr, bis ich denjungen Signor
Balbi überzeugen konnte, dal? ich die Oberhand
hatte. Wie oft er mir Prügel androhte, weil?
ich nicht mehr. Gegen fünf Uhr konnte ich
endlich fortgehen und dem Kondukteur der
Straßenbahn, die nach Pont St. Jean fuhr, einen
Brief übergeben.
Um sieben Uhr war Madame Balbi in
der Villa und um acht Uhr zog ich mit drei
Papieren in der Tasche ab und ließ die laut
heulende Mutter zurück, und Signor Balbi, der
vor lauter Fluchen darüber, daß noch kein
Rinnstein in ganz Neapel eine solche Zucht-
hauspflanze wie mich geboren hätte, ganz blau
im Gesicht war.
Gestern reisten Balbis in aller Eile ab und
heute brachte ich meine drei Papiere an. Das
erste beim Credit Lyonnais, das zweite beim
Polizeichef und das dritte bei den Zeitungen.
Ich änderte es im letzten Augenblicke noch
ein wenig ab, denn Signor Balbi tat mir
so leid.
Und das Motiv des Ganzen, Monsieur
Chassel? Darüber hatte ich eigentlich schon
eine halbe Ahnung als ich mit Louis Boffini
sprach. In meiner Ahnung wurde ich noch
darin bestärkt, als Sie am Morgen hereinkamen
und von dem eigentümlichen Brief an den alten
Si gnor Balbi erzählten. Um ganz sicher zu
sein, entlockteich noch Madame Balbi an jenem
Nachmittag in der Villa eine Bestätigung. Sie
wissen doch, in Italien sollen die Parlaments-
wahlen stattfinden, und in der nächsten Session
sollen die Traktate mit uns oder mit Deutsch-
land erneuert werden. Der alte Signor Balbi,
der die ganze AgenziaBalbi dirigiert, war eher
franzosenfreundlich, und seine Frau ist Öster-
reicherin — ich brauche wohl nicht mehr zu
sagen. Die AgenziaBalbi versorgt dieZeitungen
von halb Italien mit Notizen und Leitartikeln,
und um den Mann auf ihren Standpunkt hin-
überzubringen, arrangierte sie diese Affäre mit
dem Sohne, der ihr gehorcht wie ein Kind.
Und es wäre vielleicht geglückt, wenn nicht...
sieh’ da, Monsieur, jetzt sind wir in Marseille.
Gehen wir und feuchten wir den Zwanzig-
tausendfrankscheck mit einem Bock an!“
Karl Ritter / Ertappt
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