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BLOOD STIEHLT DIE ENGLISCHE KRONE

Eine kistoriscLe Anekdote. Nackerzäklt von Johannes von Guentker.

(Mit 4 Zeichnungen von Karl Ritter.)

ume sagt, dal? man
von König Karl II.
von England berichtet
h ab e, er h ätte ni emals
etwas Törichtes ge-
sagt und niemals et-
was Kluges getan.

Thomas Blood, sein
Schwiegersohn Hunt
und der Leutnant Parret waren es, die sich
zusammentaten, um die Krone Karls II., die
englische Krone, zu stehlen. Es war eine Ge-
schichte, die Thomas Bloods würdig war.

Er war ein toller Bursche, der Thomas Blood,
ein ahgedankter Offizier des Cromwellschen
Heeres, und sie nannten ihn gewöhnlich den
Oberst Blood, denn obwohl er kein Oberst
war, hätte er es doch sein können, der Blood,
denn er galt allgemein als der kühnste und
unternehmendste Geselle, den England hervor-
gebracht hatte. Nach Cromwells Sturz war
er wie so viele der alten verwegenen Soldaten
entlassen worden und sal? mißvergnügt auf
seinem kleinen Gut in Irland. Aber das stille
Leben konnte einem hitzigen und erfahrenen
Kriegsmann nicht auf die Dauer gefallen, und
so war er alsbald mitten drin in einer Ver-
schwörung, die sich gegen den damaligen Lord-
leutnant von Irland, den Herzog von Ormond,
richtete. Sie mißlang, aber sie war kühn ge-
plant gewesen; sein Schwager jedoch, der geist-
liche Herr Lackie, kam an den Galgen. Oberst
Blood selber entkam nach Holland und begab
sich erst recht unter die Verschwörer, zumal
ihm der Herzog von Ormond durch gericht-
lichen Urteilsspruch sein Hab und Gut einzog.
In Holland lernte er nicht nur den späteren
König von England, ^Vilhelm den III., kennen,
der damals noch Erbstatthalter Wilhelm von
Oranien hieß, sondern auch noch den Herzog
von Buckingham, der ebenfalls auf den Lord
Ormond einen Zahn hatte. Und so entstand
denn alsbald der Plan einer neuen Unterneh-
mung gegen den Lord, und zwar beabsichtigte
Thomas Blood nichts Geringeres, als ihn zu
fangen und inTyburn an den Galgen zu hängen.

Er war nach England mit wichtigen Empfeh-
lungen an die Partei der Mißvergnügten ge-
kommen und spielte bei denen keine kleine
Rolle. Aber auch sein zweiter Anschlag gegen
den Ormond mißlang, obwohl er den guten
Lord aus seinem Wagen heraus und einem
seiner Mitverschworenen bereits aufs Pferd
praktiziert hatte — mißlang, denn wenn Oberst
Blood nicht in seinem Grimm vorangeritten
wäre, um eigenhändig den Strick an den Galgen
zu knüpfen, so hätten sie freilich den Lord ent-
führt und gehängt —,aber seine Übereile brachte
das ganze Ding zum Scheitern, und es gelang
den Verfolgern, ihren Meister aus den Händen
der Räuber zu befreien. Wer den Anschlag
ausgeführt, wußte freilich niemand, man hatte
wohl einen Namen „Hunt“ rufen hören, aber
erstens war das kein so seltener Name, und
zweitens dachte niemand daran, daß Oberst
Bloods Schwiegersohn so hieße. Doch wer der
Anstifter des Anschlages sein könnte, das wi-
sperte man sich allerdings in die Ohren, und es
kam so weit, daß Lord Ormonds Sohn, der
Graf von Ossory, in Gegenwart des Königs
dem Herzog von Buckingham häßliche Dinge
ins Gesicht sagte.

Blood sann indessen auf neue Pläne, denn
seine zerrüttetenVermögensumstände begannen
ihm unerträglich zu werden. Und da sein
Schwiegersohn Hunt sich in einer genau so
verzweifelten Lage befand und ein alter Kriegs-
kamerad Bloods, der Leutnant Parret, eben-
falls, so war es nicht gerade erstaunlich, daß
diese drei unentwegt über Unternehmungen
brüteten, um mit einem Schlage zu Gelde zu
kommen. Aber auf den Plan selber kam natür-
lich nur der Oberst Blood.

Es war ein Apriltag 1671, da erschien ein
Mann im Tower, der wie ein Geistlicher ge-
kleidet war, mit einem langen Mantel, Priester-
rock und kanonischem Gürtel, er war von einer
Frau begleitet, die sehr viel jünger aussah als
er, die er aber seine Frau nannte. Und diese
Frau verlangte die Königskrone zu sehen, die
im Tower aufbewahrt wird und denen, die

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