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Nachdem sie sie nun zur Genüge betrachtet
und bewundert hatte, wobei ihr Gemahl, der
geistliche Herr,erbauliche Bemerkungen machte
und ihr auch unter anderem ihre übermäßige
Freude an den weltlichen Dingen mit sanften
V/orten vorhielt, erklärte die junge Frau plötz-
lich, sie spüre einen grausamen Schmerz im
Magen, und bat den alten Herrn Edwards, der
das Amt eines Beschließers der Krone versah,
er möchte ihr doch einige schmerzstillende
Tropfen holen lassen. Ihre Stimme war dabei
so kläglich, daß der alte Edwards, von Mitleid
ergriffen, unverzüglich seine junge hübsche
Tochter Mary schickte, die Arznei zu holen.
Und nicht genug damit, nachdem die junge Frau
die Arznei eingenommen, nötigte er sie, sich
auf einem Bett ein wenig auszuruhen, bis der
Anfall wirklich und wahrhaftig vorüber sei.
Sie nahm es an und hatte sich bald darauf er-
holt. Beim Abschied überschütteten der geist-
liche Herr und seine junge Frau den alten Herrn
Edwards mit Danksagungen, so daß er eine
wirkliche Rührung empfand.

Der geistliche Herr erschien nach drei Tagen
aufs neue bei Herrn Edwards und brachte ihm
ein Geschenk: schöne neue Handschuhe — und
Edwards mußte sie annehmen, da half keine
Weigerung. Und nun war die Bekanntschaft
geschlossen, nun kam es zu häufigen Besuchen,
um die keimende Zuneigung zu befestigen, und
es schien sich zwischen dem alten Edwards
und dem geistlichen Herrn so was wie eine
Freundschaft anbahnen zu wollen. Edwards
versicherte oft, er hätte noch nie einen so an-
genehmen und unterrichtetenMenschen kennen-
gelernt, der geistliche Herr dagegen konnte sich
nicht genug tun, den Eheleuten Edwards immer

wieder zu versichern, daß sie die gütigsten
Leute der ^Velt seien, und daß seine junge Frau
von nichts anderem mehr spräche als von der
Artigkeit und Gefälligkeit der ehrlichen Men-
schen im Tower, und daß sie darauf bedacht
sei, eine schickliche Vergeltung zu finden. Die
beiden Edwards wollten das nicht wahr haben,
aber was tut man, wenn das Schicksal so honig-
süß redet wie Oberst Blood — der geistliche
Herr? Und Blood wußte, was er wollte.

Eines Tages, der April stand schon in der
letzten Woche, erschien er mit besonders feier-
lichem Gesichte im Tower. Er rief den alten
Edwards und seine Frau beiseite und eröff-
nete sich ihnen. Sie hätten, meinte er, eine
hübsche Tochter, für die es Zeit sei, unter die
Haube zu kommen; nun, und er hätte da einen
braven jungen Mann, einen Schwestersohn,
der an die dreihundert Pfund jährlich zu ver-
speisen habe, und er sei sein Vormund ... Der
junge Mensch würde sich glücklich schätzen,
und was wohl die alten Edwards zu der Partie
meinten? Und ob die Tochter frei sei? Und
ob sie sich nicht seiner Ansicht anschlössen,
daß es immer von Nutzen sei, eine passende
Heirat zu stiften?

Der alte Edwards war im siebenten Himmel,
denn er hatte sich schon manchmal Gedanken
gemacht, zumal in der letzten Zeit ein Freund
seines Sohnes, ein Hauptmann Beckman, ver-
dächtig häufig ins Haus kam und ein unziem-
liches Interesse für Mary Edwards an den Tag
legte — und er, der alte Edwards, hatte nicht
die geringste Neigung, seine Tochter einem
Militär zu geben. Er lud also den vorgeblichen
geistlichen Herrn unverzüglich ein, an diesem
Tage zum Essen dazubleiben, damit man den
Plan nachher noch weitläufiger besprechen

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