Gr
langsam auf das Rosenlager und blieb in blei-
cher Starre reglos liegen. Noch einmal floß ein
rosiger Schimmer über den Sarkophag und
strömte zitternd durch den Frauenleib. Es war
Maya, die im Frühlingshauch zart erglühte.
Ein leiser Seufzer — und auch sie erblich.
Dumpfe, zuckende Wellen eilten durch den
Raum; leise singende Töne verhallten. — Die
Farben erstarben, der Glanz erlosch. — Finster-
nis umgab Sotas.
Der Alte ging langsam suchend zur Türe
und verlief? die Halle.
DR. WEINERS EXPERIMENTE
Von Max Schenke. (Mit zwei Zeichnungen des Verfassers.)
s tut mir leid, aber es sind
bereits mehr Karten ausge-
geben worden als zulässig
sind“, sagte der Staatsanwalt
Sehre k dem kleinen zu ihm
auf blicken den Alten mit den
stechenden rauen Augen.
„Ich mul? aber dabei sein,“
erwiderte der letztere, „könnte ic vielleicht
die Namen der Besitzer von Karten erfahren,
irgend jemand wird mir sicher eine Eintritts-
karte ablassen, unter Umständen für Geld.“
„Ich möchte v •. 1, ob Sie ein solches
Vergnügen daran finden, bei dieser doch ziem-
lich unangenehmen S ache dabei zu ein?“ Der
Staatsanwalt war ärgerlich, dal? sich der Kleine
nicht abweisen lief? und schon seit einer Stunde
nun immer wieder bettelte um eine Einlal?karte
zu der in einigen Tagen stattfindenden Hin-
richtung. „Wenden Sie sich drauf?en an den
Aktuar Müller, und lassen Sie sich die Namen
der Herren eben“, sagte nun Schrek, um ihn
endlich loszuwerden. Höflich dankend, ver-
abschiedete sich er sonderbare Herr. er
Staatsanwalt nahm ein Aktenstück von dem
vor ihm liegenden Bündel und schlug es auf.
Komisch, der Alte ging ihm nicht aus em
Kopf. Unwillkürlich r ehte er sich um, es war
ihm, als müsse der schwarzrockige Kleine noch
neben ihm stehen. Er beugte sich wieder über
seine Akten. „Die eigentümliche Angst, die
der hatte, um bei der Hinrichtung dabei zu sein.
Entweder ist der Mann geisteskrank — oder?
Ja, was oder?“ Er konnte sich nicht erklären,
was wohl sonst für Beweggründe den Men-
schen so versessen auf die Einlaf?karte machen
konnten. Er kam zu keinem klaren Gedanken,
die Sache beschäftigte ihn so stark, dal? er seine
Akten zuklappte und klingelte. Der Aktuar,
der hereinkam, erzählte strahlend, dal? er dem
Fremden sämtliche Adressen gegeben hatte.
Offenbar hatte er ein anständiges Trinkgeld
bekommen, anders konnte sich der Staatsan-
walt das Benehmen seines sonst so mürrischen
Untergebenen nicht deuten.
Vier Tage waren vergangen. Der Staats-
anwalt stand auf dem Podium im Gefängnishof
und verlas das Urteil des zum Tode Verurteil-
ten. Sein Blick streifte die Anwesenden und
blieb an den Augen des kleinen Alten hangen.
„Also doch, wie mag er das angedreht haben,
dal? ihm jemand seine Karte gegeben hat“,
dachte er. Wie mit magnetischer Gewalt
wurde sein Blick festgehalten. „Der Mann hat
entschieden etwas Unheimliches.“ Während
der ganzen Zeremonie starrte er den Alten an,
der, wie es schien, mit ungeheuerlichem Inter-
esse den ganzen Vorgang beobachtete. Als das
Beil fiel, stürzte der Kleine auf die Gehilfen
des Henkers zu und sprach leise mit ihnen. Der
Staatsanwalt sah an deren erstaunten Gesich-
tern, dal? sein Anliegen sicher ein sehr merk-
würdiges sein mul?te. Er redete eine ganze Zeit
erregt auf die Leute ein, bis sie offenbar mit
seinem Verlangen einverstanden waren. Schrek
hatte jetzt zu tun, sprach mit einigen Herren,
und erst nach ein paar Minuten sah er den
Kleinen mit einem schwarzen glänzenden Paket
im Ausgang des Hofes verschwinden. Er stürzte
ihm nach, und mit Mühe konnte er hinter ihm
hereilen, ohne ihn aus dem Gesichte zu verlieren.
Nach einer Zeit verschwand der Alte in der
Torfahrt eines alten, großen Hauses. Als Schrek
ankam, war das Tor bereits verschlossen. Er
merkte sich Straße und Hausnummer. ZuHause
fand er im Adreßbuch ,Dr. Weiner\ weiter
nichts im ganzen Hause, weiter nichts. Immer
erstaunlicher kam ihm die ganze Geschichte
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langsam auf das Rosenlager und blieb in blei-
cher Starre reglos liegen. Noch einmal floß ein
rosiger Schimmer über den Sarkophag und
strömte zitternd durch den Frauenleib. Es war
Maya, die im Frühlingshauch zart erglühte.
Ein leiser Seufzer — und auch sie erblich.
Dumpfe, zuckende Wellen eilten durch den
Raum; leise singende Töne verhallten. — Die
Farben erstarben, der Glanz erlosch. — Finster-
nis umgab Sotas.
Der Alte ging langsam suchend zur Türe
und verlief? die Halle.
DR. WEINERS EXPERIMENTE
Von Max Schenke. (Mit zwei Zeichnungen des Verfassers.)
s tut mir leid, aber es sind
bereits mehr Karten ausge-
geben worden als zulässig
sind“, sagte der Staatsanwalt
Sehre k dem kleinen zu ihm
auf blicken den Alten mit den
stechenden rauen Augen.
„Ich mul? aber dabei sein,“
erwiderte der letztere, „könnte ic vielleicht
die Namen der Besitzer von Karten erfahren,
irgend jemand wird mir sicher eine Eintritts-
karte ablassen, unter Umständen für Geld.“
„Ich möchte v •. 1, ob Sie ein solches
Vergnügen daran finden, bei dieser doch ziem-
lich unangenehmen S ache dabei zu ein?“ Der
Staatsanwalt war ärgerlich, dal? sich der Kleine
nicht abweisen lief? und schon seit einer Stunde
nun immer wieder bettelte um eine Einlal?karte
zu der in einigen Tagen stattfindenden Hin-
richtung. „Wenden Sie sich drauf?en an den
Aktuar Müller, und lassen Sie sich die Namen
der Herren eben“, sagte nun Schrek, um ihn
endlich loszuwerden. Höflich dankend, ver-
abschiedete sich er sonderbare Herr. er
Staatsanwalt nahm ein Aktenstück von dem
vor ihm liegenden Bündel und schlug es auf.
Komisch, der Alte ging ihm nicht aus em
Kopf. Unwillkürlich r ehte er sich um, es war
ihm, als müsse der schwarzrockige Kleine noch
neben ihm stehen. Er beugte sich wieder über
seine Akten. „Die eigentümliche Angst, die
der hatte, um bei der Hinrichtung dabei zu sein.
Entweder ist der Mann geisteskrank — oder?
Ja, was oder?“ Er konnte sich nicht erklären,
was wohl sonst für Beweggründe den Men-
schen so versessen auf die Einlaf?karte machen
konnten. Er kam zu keinem klaren Gedanken,
die Sache beschäftigte ihn so stark, dal? er seine
Akten zuklappte und klingelte. Der Aktuar,
der hereinkam, erzählte strahlend, dal? er dem
Fremden sämtliche Adressen gegeben hatte.
Offenbar hatte er ein anständiges Trinkgeld
bekommen, anders konnte sich der Staatsan-
walt das Benehmen seines sonst so mürrischen
Untergebenen nicht deuten.
Vier Tage waren vergangen. Der Staats-
anwalt stand auf dem Podium im Gefängnishof
und verlas das Urteil des zum Tode Verurteil-
ten. Sein Blick streifte die Anwesenden und
blieb an den Augen des kleinen Alten hangen.
„Also doch, wie mag er das angedreht haben,
dal? ihm jemand seine Karte gegeben hat“,
dachte er. Wie mit magnetischer Gewalt
wurde sein Blick festgehalten. „Der Mann hat
entschieden etwas Unheimliches.“ Während
der ganzen Zeremonie starrte er den Alten an,
der, wie es schien, mit ungeheuerlichem Inter-
esse den ganzen Vorgang beobachtete. Als das
Beil fiel, stürzte der Kleine auf die Gehilfen
des Henkers zu und sprach leise mit ihnen. Der
Staatsanwalt sah an deren erstaunten Gesich-
tern, dal? sein Anliegen sicher ein sehr merk-
würdiges sein mul?te. Er redete eine ganze Zeit
erregt auf die Leute ein, bis sie offenbar mit
seinem Verlangen einverstanden waren. Schrek
hatte jetzt zu tun, sprach mit einigen Herren,
und erst nach ein paar Minuten sah er den
Kleinen mit einem schwarzen glänzenden Paket
im Ausgang des Hofes verschwinden. Er stürzte
ihm nach, und mit Mühe konnte er hinter ihm
hereilen, ohne ihn aus dem Gesichte zu verlieren.
Nach einer Zeit verschwand der Alte in der
Torfahrt eines alten, großen Hauses. Als Schrek
ankam, war das Tor bereits verschlossen. Er
merkte sich Straße und Hausnummer. ZuHause
fand er im Adreßbuch ,Dr. Weiner\ weiter
nichts im ganzen Hause, weiter nichts. Immer
erstaunlicher kam ihm die ganze Geschichte
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