Der Jüngling blieb, in tausend Gedanken ver-
loren, verwirrt und erstaunt stehen und konnte
sieb nicht denken, was er in diesem Falle zu
beginnen hätte. Es sprach bei sich selbst:
Könnte es nicht einer meiner Feinde sein,
welcher unter dieser Lockspeise sein Gift
mischt, und mich wie einen einfältigen Schöps
zur Schlachtbank führen will? Ich habe aber,
soviel ich weil?, keinen Feind, und beleidigte
nie jemand im geringsten. Ich wül?te nicht,
wer nach meinem Blute verlangen sollte. Und
der, welcher eben mit mir redete, sagte, ich
könne, wenn ich wollte, wohl bewaffnet
kommen. Aber auch mit Waffen versehen
werde ich es unter der Kapuze nicht bemerken
können, wenn mich einer angreift. MVer hörte
j'e etwas so Seltsames, dal? eine Dame in einen
j’ungen Mann glühend verliebt ist und nicht von
ihm gesehen werden will? MVäre es nicht mög-
lich, daß ich, ein frisches, junges Weib, eine
blühende Grazie zu umarmen denkend, an der
welken Brust einer Metze läge, welche jedem
lumpigen Soldaten undPackträger ihren schänd-
lichen Leib für einige Heller preisgibt und mich
eine augenblickliche Lust mit lebenslangem Lei-
den bezahlen ließe?
Diese und andere Gedanken über die Ein-
ladung und deren Folgen trug der junge Edel-
mann den ganzen Tag mit sich herum. Indessen
war es Abend geworden, ohne daß es ihm
möglich gewesen wäre, einen festen Entschluß
zu fassen.
Er speiste um neun Uhr, konnte aber nichts
essen, denn er dachte immer und immer, was
er tun solle. Endlich entschloß er sich, das
Abenteuer zu bestehen, werde daraus, was da
wolle. So nahm er um zehn Uhr seine Waffen
und eilte zu dem bezeichneten Platz.
Frederico harrte nicht lange, der Alte kam
wie verabredet, grüßte den Jüngling, hüllte sein
Haupt in die Kapuze und sagte zu ihm:
„Herr, faßt mein Kleid von hinten mit einer
Hand, und folgt mir!“ Das tat der junge Mann
und nun führte ihn der Alte durch verschiedene
Straßen, auf und ab, hin und wieder zurück,
so daß er den Weg nicht wieder hätte finden
können.
Endlich führte er ihn in das Haus der Witwe
in ein Gemach zu ebener Erde: Das Gelaß war
auf das herrlichste und prachtvollste ausge-
stattet, das Bett, auf das kunstreichste ge-
schmückt und mit den reichsten Vorhängen ge-
ziert, trug zwei schöne mit Goldfäden durch-
wirkte Kissen von purpurner Seide, auf denen zu
ruhen der mächtigste Kaiser nicht gezögert
hätte. Durch das ganze Gemach wehten die
Düfte des Orients.
Als Frederico in das Gemach getreten war,
nahm ihm der Alte die Kapuze ab und sagte:
„Herr, es mag Euch warm geworden sein, er-
quickt Euch nach Belieben!“ Er reichte ihm Er-
frischungen. Abe Frederico dankte und wollte
weder essen noch trinken, er wollte sich bloß
abkühlen und ging umher, die reiche Ver-
zierung des Gemaches beschauend und be-
wundernd.
Er war außer sich vor unendlichem Er-
staunen bei dem Anblicke dieser edlen und
königlichen Einrichtung und schloß nicht mit
Unrecht, daß die Besitzerin dieses Palazzos
eine der ersten und vornehmsten Edelfrauen
Mailands sein müsse.
Der Alte wärmte nun das Bett mit einem
silbernen Bettwärmer, half alsbald dem Jüng-
ling beim Entkleiden, dann verließ er ihn.
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loren, verwirrt und erstaunt stehen und konnte
sieb nicht denken, was er in diesem Falle zu
beginnen hätte. Es sprach bei sich selbst:
Könnte es nicht einer meiner Feinde sein,
welcher unter dieser Lockspeise sein Gift
mischt, und mich wie einen einfältigen Schöps
zur Schlachtbank führen will? Ich habe aber,
soviel ich weil?, keinen Feind, und beleidigte
nie jemand im geringsten. Ich wül?te nicht,
wer nach meinem Blute verlangen sollte. Und
der, welcher eben mit mir redete, sagte, ich
könne, wenn ich wollte, wohl bewaffnet
kommen. Aber auch mit Waffen versehen
werde ich es unter der Kapuze nicht bemerken
können, wenn mich einer angreift. MVer hörte
j'e etwas so Seltsames, dal? eine Dame in einen
j’ungen Mann glühend verliebt ist und nicht von
ihm gesehen werden will? MVäre es nicht mög-
lich, daß ich, ein frisches, junges Weib, eine
blühende Grazie zu umarmen denkend, an der
welken Brust einer Metze läge, welche jedem
lumpigen Soldaten undPackträger ihren schänd-
lichen Leib für einige Heller preisgibt und mich
eine augenblickliche Lust mit lebenslangem Lei-
den bezahlen ließe?
Diese und andere Gedanken über die Ein-
ladung und deren Folgen trug der junge Edel-
mann den ganzen Tag mit sich herum. Indessen
war es Abend geworden, ohne daß es ihm
möglich gewesen wäre, einen festen Entschluß
zu fassen.
Er speiste um neun Uhr, konnte aber nichts
essen, denn er dachte immer und immer, was
er tun solle. Endlich entschloß er sich, das
Abenteuer zu bestehen, werde daraus, was da
wolle. So nahm er um zehn Uhr seine Waffen
und eilte zu dem bezeichneten Platz.
Frederico harrte nicht lange, der Alte kam
wie verabredet, grüßte den Jüngling, hüllte sein
Haupt in die Kapuze und sagte zu ihm:
„Herr, faßt mein Kleid von hinten mit einer
Hand, und folgt mir!“ Das tat der junge Mann
und nun führte ihn der Alte durch verschiedene
Straßen, auf und ab, hin und wieder zurück,
so daß er den Weg nicht wieder hätte finden
können.
Endlich führte er ihn in das Haus der Witwe
in ein Gemach zu ebener Erde: Das Gelaß war
auf das herrlichste und prachtvollste ausge-
stattet, das Bett, auf das kunstreichste ge-
schmückt und mit den reichsten Vorhängen ge-
ziert, trug zwei schöne mit Goldfäden durch-
wirkte Kissen von purpurner Seide, auf denen zu
ruhen der mächtigste Kaiser nicht gezögert
hätte. Durch das ganze Gemach wehten die
Düfte des Orients.
Als Frederico in das Gemach getreten war,
nahm ihm der Alte die Kapuze ab und sagte:
„Herr, es mag Euch warm geworden sein, er-
quickt Euch nach Belieben!“ Er reichte ihm Er-
frischungen. Abe Frederico dankte und wollte
weder essen noch trinken, er wollte sich bloß
abkühlen und ging umher, die reiche Ver-
zierung des Gemaches beschauend und be-
wundernd.
Er war außer sich vor unendlichem Er-
staunen bei dem Anblicke dieser edlen und
königlichen Einrichtung und schloß nicht mit
Unrecht, daß die Besitzerin dieses Palazzos
eine der ersten und vornehmsten Edelfrauen
Mailands sein müsse.
Der Alte wärmte nun das Bett mit einem
silbernen Bettwärmer, half alsbald dem Jüng-
ling beim Entkleiden, dann verließ er ihn.
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