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DIE NACHTIGALL

Von Job. Christ. Rost. (Gestorben 1765). Mit zwei Zeichnungen von Otto Linnekogel.

ergebens wird bei Tag und Nacht
Der Schönen güldnes Vlies bewacht;

Dies ist verlorne Müh'. Sobald von Lust gerühret
Ein Mädchen erst geheime Flammen spüret.

So glückt’s dem muntern Jüngling leicht.

Der zu gefallen weil?, an Witz dem Jason gleicht.
Die Schwierigkeiten zu besiegen
Und Wach’ und Drachen zu betrügen.

Zumal, wenn selbst des Mädchens List
Und der erfahrne Gott der Liebe günstig ist!

Der Zwang hat Schöne oft um Zucht und Kranz gebracht.

Sie lieben heftiger, je mehr man sie bewacht,

Ihr Herz läl?t willig sich verführen
Und hat die güldne Freiheit lieb:

Der Wächter Hut und Gitter, Schlol? und Türen

Sind ein zu schwacher Damm für junger Mädchen Trieb.

Im zwölften Jahr sind Schöne schon verliebt;

^Vas Wu nder, wenn es jetzt nicht mehr Agnesen gibt?

Denn jede sucht die Störer im Vergnügen,

D ie Argus ihrer Zucht, arglistig zu betrügen.

Ein wollustvoller Blick, gedeckt durch schlaue Tränen,

Ein zärtlich Wort und Seufzen, Klagen, Sehnen,

Ein schmeichelnd Lächeln und ein sanfter Druck der Hand,

Dies alles wird dann angewandt.

Sobald ein Mädchen strebt durch zärtliches Bemühen
Den Jüngling in ihr Netz zu ziehen
Genug davon. Jetzt soll der Leser hören,
was einstens, niemand zweifelt dran.

Die junge Dorilis getan;

Und dann soll mich sein Urteil lehren :

Ob Schöne, die man zwingt, nicht heimlich Flammen fühlen.

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