Hier hauste Johann Kilian, von den Leuten
im Dorfe nur der Kräuterhansei genannt. Er
stand im Ruf geheimer Künste und einer großen
Gelehrtheit, obwohl niemand wußte, wo er zur
Schule gewesen, und was er sei. Vor vielen
Jahren war er von den Almen herunter durch
den „hinteren Grund“ niedergestiegen, ins Dorf
gekommen und hatte sich das leerstehende
Häuschen erstanden. Er seihst sprach wenig
mit den Leuten, nie über Vergangenes, nie über
Zukünftiges. Wenn einer ihn über die Ernte-
hoffnungen ausholen wollte, sagte er nur, keiner
könne wissen, wann die Retorte im Runken-
stein sieden werde; und was die Blätter der
Silberwurz sagten, das dürfe er niemand sagen.
So schnitt er jedes Gespräch ab. Die Bauern
waren abergläubisch und fragten nicht mehr.
Aber wenn an heißen, wolkenlosen Sommer-
tagen urplötzlich ein dünnes, weißes Nebel-
häubchen auf dem Runkenstein saß, dann lugte
mancher furchtsam hinauf und kam bald so
von ungefähr an Kräuterhanseis Häuschen
vorbei. Der aber war dann nie zu Hause.
Niemand wußte, wo er sich aufhalte. Aber
etliche wollten ihn lang vor Sonnenaufgang
in der Richtung zum „hinteren Grund“ gesehen
haben. Er werde wohl am Runkenstein dro-
hen sein.
Ein solcher Tag war auch heute gewesen.
Die Neugier der Bauern war groß, und hätten
sie Hansei nicht jeden Sonntag bei der Messe
gesehen, so wäre vielleicht Böses über ihn ge-
sagt worden.
Nun hatten sich schon längst einige Burschen,
die Mutigsten, verabredet, dem Alten hinter
sein Geheimnis zu kommen. Unter ihnen war
auch der Dorfschreiber, der eben erst seine
Militärzeit abgedient hatte und von allen am
weitesten in der Welt herumgekommen war.
Auf einer Leiter wollten sie ihn von der Bach-
seite her nächtens heimlich beobachten. Aber
es sollte Neumond sein, damit der Alte sie
nicht bemerke. Man wisse nicht, ob ihnen sonst
nicht Unheil widerfahren könne. So lagen sie
denn heute ihrer vier unten am Bach versteckt
und warteten. Gegen Mitternacht kam der
Kräuterhansei in Begleitung eines Knaben, den
keiner von den vieren je gesehen. Nach einer
halben Stunde, ihrem Dünken endlos lang, leg-
ten die Lauscher behutsam die Leiter an und
stiegen hinauf. Man übersah ein niederes,
rauchgebräuntes Gemach mit einem langen
Tisch. Flaschen standen darauf umher, ein
kleines Kohlenfeuer brannte in einem eisernen
Becken. Hinter dem Feuer an der Wand hing
ein großes, schwarzes Kreuz ohne Heiland, aber
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im Dorfe nur der Kräuterhansei genannt. Er
stand im Ruf geheimer Künste und einer großen
Gelehrtheit, obwohl niemand wußte, wo er zur
Schule gewesen, und was er sei. Vor vielen
Jahren war er von den Almen herunter durch
den „hinteren Grund“ niedergestiegen, ins Dorf
gekommen und hatte sich das leerstehende
Häuschen erstanden. Er seihst sprach wenig
mit den Leuten, nie über Vergangenes, nie über
Zukünftiges. Wenn einer ihn über die Ernte-
hoffnungen ausholen wollte, sagte er nur, keiner
könne wissen, wann die Retorte im Runken-
stein sieden werde; und was die Blätter der
Silberwurz sagten, das dürfe er niemand sagen.
So schnitt er jedes Gespräch ab. Die Bauern
waren abergläubisch und fragten nicht mehr.
Aber wenn an heißen, wolkenlosen Sommer-
tagen urplötzlich ein dünnes, weißes Nebel-
häubchen auf dem Runkenstein saß, dann lugte
mancher furchtsam hinauf und kam bald so
von ungefähr an Kräuterhanseis Häuschen
vorbei. Der aber war dann nie zu Hause.
Niemand wußte, wo er sich aufhalte. Aber
etliche wollten ihn lang vor Sonnenaufgang
in der Richtung zum „hinteren Grund“ gesehen
haben. Er werde wohl am Runkenstein dro-
hen sein.
Ein solcher Tag war auch heute gewesen.
Die Neugier der Bauern war groß, und hätten
sie Hansei nicht jeden Sonntag bei der Messe
gesehen, so wäre vielleicht Böses über ihn ge-
sagt worden.
Nun hatten sich schon längst einige Burschen,
die Mutigsten, verabredet, dem Alten hinter
sein Geheimnis zu kommen. Unter ihnen war
auch der Dorfschreiber, der eben erst seine
Militärzeit abgedient hatte und von allen am
weitesten in der Welt herumgekommen war.
Auf einer Leiter wollten sie ihn von der Bach-
seite her nächtens heimlich beobachten. Aber
es sollte Neumond sein, damit der Alte sie
nicht bemerke. Man wisse nicht, ob ihnen sonst
nicht Unheil widerfahren könne. So lagen sie
denn heute ihrer vier unten am Bach versteckt
und warteten. Gegen Mitternacht kam der
Kräuterhansei in Begleitung eines Knaben, den
keiner von den vieren je gesehen. Nach einer
halben Stunde, ihrem Dünken endlos lang, leg-
ten die Lauscher behutsam die Leiter an und
stiegen hinauf. Man übersah ein niederes,
rauchgebräuntes Gemach mit einem langen
Tisch. Flaschen standen darauf umher, ein
kleines Kohlenfeuer brannte in einem eisernen
Becken. Hinter dem Feuer an der Wand hing
ein großes, schwarzes Kreuz ohne Heiland, aber
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