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PHANTASTISCHE BÜCHER

An dieser Stelle zeigen wir an und besprechen neuere und ältere phantastische Literatur, graphische Blätter, Werke

unserer Mitarbeiter usw.

A. M. Frey: Solneman, der Unsichtbare.
Roman, Delphin-Verlag, München 1920. Beim Lesen dieses
Romans überkam mich mit jeder Seite immer mehr das
behagliche Gefühl, dag mir Frey sozusagen einen Bären
aufbinden möchte. Man könnte nach der letzten Seite dieses
Buches etwa wie nach dem Anhören einer Münchhausiade
sagen: ,.Icb glaube ihm
kein Wort, aber er
erzählt entzückend.“

Und in der Tat: die
herzerquickend un-
wahrscheinliche Fabel,
die Buntheit der Hand-
lung, die von Bosheiten,

Sarkasmen und Satiren
wimmelt, ist in einem
guten Deutsch so vor-
züglicherzählt, dag dies
allein genügt, das Buch
zu einem der lesens-
wertesten der letzten
Jahre zu machen. Aber
dieser Roman ist zu-
gleich ein Schulbeispiel
dafür, dag entgegen der
Meinung grün schnäbe-
liger Literaturadepten
— ein Buch, durchaus
Bewegtheit und Span-
nung der Handlung
mit künstlerischem
Wert verbinden kann.

Von Otto Nückel
freilich sah ich besser
gelungene Holzschnitte
als diese, die Freys
Buch begleiten. Cz.

Kurt Scbwitters: Anna Blume, Dichtungen,
Verlag Paul Stegemann, Hannover 1919. Es ist für dieses
merkwürdige und wohl nur psychiatrisch zu erfassende
Produkt eines geistigen Bolschewismus zu viel der Ehre,
dag man es überhaupt einer Erwähnung würdigt. Da es
aber in der Sammlung „Die Silbergäule“ erschienen ist,
welche Bücherreihe eine Auswahl erlesenster Köstlich-
keiten herausgebracht hat, so seien einige Worte über diese
bedruckten Seiten gesagt, Seiten, die einen anmuten, als
wären sie eine interessante Beilage zum Journal eines Irren-
arztes. Dag quer über die Umschlagzeichnung — was man
heute so Zeichnung nennt — natürlich in Rot, das Wort
„ dada“ steht, ist nach dem oben Gesagten selbstverständ-
lich. Und im Buche grinsen Gedichte wie dieses:

Glut streichelt sanfte Wellen Kug
Pfiff Sonne Faden Sonne (Zeppelin)

Ich Faden Sonne Glimmerglanz
Und Glimmergluten sanftet Welt.

Und das ist Ernst, beileibe kein Witz. Dabei ist der
Mann anscheinend schwerster literarischer Reaktionär, da
er seine „Werke“ immerhin noch aus V/orten und satz-
ähnlichen Gebilden formt. Das ist um so unbegreiflicher,
da er doch in seiner Malerei — so was tut er nämlich

auch — dahinter gekommen ist, dag es doch eigentlich
zum Aufhängen langweilig ist, Bilder immer und ewig
mit Farben zu malen, und daher seine „Gemälde“ aus
Ofenröhren, Drahtgittern, alten Zahnbürsten und diskretesten
Gefägen bildet. Davon könnte man sich bei der Kunstaus-
stellung, die der „Sturm“ veranstaltete, überzeugen, für die

er ein Gemälde „Franz
Müllers Draht-
frühling' ‘zusammen-
hängte. Diese Merz
-Malerei, also nennt
eich dieses neueste Pro-
dukt des augenblick-
lichen Weltwahnsinn,
hat etwas unendlich
Anziehendes: man
braucht Bilder gar
nicht mehr zu malen,
man hängt sie aus altem
Gerümpel einfach an
die Wand. Also be-
quemer kann man es
doch nicht mehr haben!

Was man da machen
soll! Tja, das ist schwer
zu sagen. Sich vor allem
über nichts wundern.
Denn geschieht denn
im ganzen heutigen Le-
ben etwas anderes als
„ich Faden SonneGlim-
merglanz“ und Merz-
Malerei?

Cz.

Eingesandte Bücher.

E. Sych owa: P r akt i s ch er O k k ult is m u s für da*
Alltagsleben und Die Entwic kl u n g des Wil 1 en s
zur höchsten Macht. Max Altmann, Leipzig 1920.

E. Kurtzahn: Die Rosenkreuzer, Karl Rohm,
Lorch (Wttbg.), 1920.

S. MV. Fischer: Die denFluchLiliths tragen.
Anzengruber-Verlag, Wien, 1912.

El Ha: Schatten (Saturnbücher Nr. 44.) Hermann
Meister, Heidelberg.

E. Fries: Die Glutrose. Verlag Aurora, Dresden-
Weinböhla, 1920.

S. W. Fischer: Pierrots K ri eg s - M a s k e n und
-Geschichte. Anzengruber-Verlag, V/ien, 1916.

Hans Musch: Die Heimkehr desVeränderten.
Adolf Saal Verlag, Hamburg, 1920.

Eugen Hoeflich: FeuerimOsten. E. P. Tal 6? Co.,
VTen, 1920.

Rudolf Voigt: Der Tanz um die Liebe. Ed.
Focke, Chemnitz, 1919.

Kurt Martin: Die Liebe der Christine Klawonn.
Verlag Aurora, Dresden-Weinböhla, 1920.

Bemerkungen der Schriftleitung:

%

Das Titelblatt zeichnete Flora Pälyi, die Leiste zum Treibhaus Karl Ritter.

Verantwortlich: Für die Schriftleitunfl AJf von Czibulha, München. Für den Anzeigenteil Kurt Reichardt, München. Herausgeber und verantwort-
licher Redakteur für Österreich : Ham Hofmarm-Montanut, Wien, XIII., Hietzinger Hauptstr. 15. Druck : MüncKmrBuchgnotrhthautM. MüJltrtJSohn.
 
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