Am ^'nächsten Tage hatte er heftige Leib-
schmerzen, die drei Tage anhielten. Nun ging
er fort und suchte die Stelle des nächtlichen
Gelages. Er fand auch die Überreste der Mahl-
zeit: abgenagte Knochen in Menge, als hätten
V/olfe ihre Beute verzehrt. Rings umher wu-
cherte Dickicht, und von einer Straße war
nichts zu sehen.
Im Herbst wollte er sich wieder zu der
Zusammenkunft begeben. Doch seine Freunde
ließen ihn nicht gehen, aus Furcht, es möchte
ihm etwas geschehen.
EIN VAMPIR
Von E. T. A. Hoffman n. (Mit vier Zeichnungen von Otto Linnekogel.)
raf Hyppolit war zurück-
gekehrt von langen, weiten
Reisen, um das reiche Erbe
seines Vaters, der unlängst
gestorben, in Besitz zu neh-
men. Das Stammschloß lag
in der schönsten, anmutig-
sten Gegend, und die Einkünfte der Güter
reichten hin zu den kostspieligsten Ver-
schönerungen. Alles, was der Art dem Gra-
fen auf seinen Reisen, vorzüglich in England,
als reizend, geschmackvoll, prächtig aufgefal-
len, sollte nun vor seinen Augen noch ein-
mal entstehen. Handwerker und Künst-
ler, wie sie gerade nötig, fanden sich auf sei-
nen Ruf bei ihm ein, und es begann alsbald
der Umbau des Schlosses, die Anlage eines
weitläufigen Parks in größtem Stil, so daß
selbst Kirche, Totenacker und Pfarrhaus ein-
gegrenzt wurden und als Partie des künst-
lichen Waldes erschienen. Alle Arbeiten leitete
der Graf, der die dazu nötigen Kenntnisse be-
saß, selbst; er widmete sich diesen Beschäfti-
gungen mit Leib und Seele, und so war ein Jahr
vergangen, ohne daß es ihm eingefallen, dem
Rat eines alten Oheims gemäß in der Residenz
sein Licht leuchten zu lassen vor den Augen
der Jungfrauen, damit ihm die schönste, beste.
edelste zufalle als Gattin. Eben saß er eines
Morgens am Zeichentisch, um den Grundriß
eines neuen Gebäudes zu entwerfen, als eine
alte Baronesse, weitläufige Verwandte seines
Vaters, sich anmelden ließ. Hyppolit erinnerte
sich, als er den Namen der Baronesse hörte,
sogleich, daß sein Vater von dieser Alten immer
mit der tiefsten Indignation, ja mit Abscheu
gesprochen und manchmal Personen, die sich
ihr nähern wollten, gewarnt, sich von ihr fern-
zuhalten, ohne jemals eine Ursache der Gefahr
anzugeben. Befragte man den Grafen näher,
so pflegte er zu sagen, es gäbe gewisse Dinge,
über die es besser sei, zu schweigen als zu
reden. So viel war gewiß, daß in der Residenz
dunkle Gerüchte von einem ganz seltsamen und
unerhörten Kriminalprozeß gingen, in dem die
Baronesse befangen, der sie von ihrem Gemahl
getrennt, aus ihrem entfernten V/ohnort ver-
trieben, und dessen Unterdrückung sie nur der
Gnade des Fürsten zu verdanken habe. Sehr
unangenehm berührt fühlte sich Hyppolit durch
die Annäherung einer Person, die sein Vater
verabscheut, waren ihm auch die Gründe dieses
Abscheues unbekannt geblieben. Das Recht
der Gastfreundschaft, das vorzüglich auf dem
Lande gelten mag, gebot ihm indessen, den
lästigen Besuch anzunehmen. Niemals hatte
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