eine Person, ohne im mindesten häßlich zu sein,
in ihrer äußeren Erscheinung solch einen wider-
wärtigen Eindruck auf den Grafen gemacht
als eben die Baronesse. Bei dem Eintritt durch-
bohrte sie den Grafen mit einem glühenden
Blick, dann schlug sie die Augen nieder und
entschuldigte ihren Besuch in beinahe demüti-
gen Ausdrücken. Sie klagte, dal? der Vater des
Grafen, von den seltsamen Vorurteilen be-
fangen, die ihm gegen sie feindlich Gesinnte
auf hämische Weise heizubringen gewußt, sie
bis in den Tod gehaßt und ihr, unerachtet sie in
der bittersten Armut beinahe verschmachtet
und sich ihres Standes schämen müssen, nie-
mals auch nur die mindeste Unterstützung zu-
fließen lassen. Endlich, ganz unerwartet in den
Besitz einer kleinen Geldsumme gekommen,
sei es ihr möglich geworden, die Residenz zu
verlassen und in ein entferntes Landstädtchen
zu fliehen. Auf dieser Reise habe sie dem
Drange nicht widerstehen können, den Sohn
eines Mannes zu sehen, den sie, seines un-
gerechten, unversöhnlichen Hasses unerachtet,
stets hochverehrt. — Es war der rührende
Ton der Wahrheit, mit dem die Baronesse
sprach und der Graf fühlte sich um so mehr
bewegt, als er, weggewandt von dem widrigen
Antlitz der Alten, versunken war in den An-
blick des wunderbar lieblichen, anmutigen
^Vesens, das mit der Baronesse gekommen.
Die Baronesse schwieg; der Graf schien es
nicht zu bemerken, er blieb stumm. Da bat die
Baronesse, es ihrer Befangenheit an diesem
Orte zu verzeihen, daß sie dem Grafen nicht
gleich bei ihrem Eintritt ihre Tochter Aurelie
vorgestellt. Nun erst gewann der GrafWorte,
und beschwor, rot geworden bis an die Augen,
in der Verwirrung des liebeentzückten Jüng-
lings die Baronesse, sie möge ihm vergönnen,
das gutzumachen was sein Vater nur aus Miß-
verstand habe verschulden können, und vorder-
hand es sich auf seinem Schlosse gefallen
lassen. Seinen besten Willen beteuernd, faßte
er die Hand der Baronesse, aber das Wort,
der Atem stockte ihm, eiskalte Schauer durch-
bebten sein Innerstes. Er fühlte seine Hand
von im Tode erstarrten Fingern umkrallt und
die große, knochendürre Gestalt der Baronesse,
die ihn anstarrte mit Augen ohne Sehkraft,
schien ihm in den häßlich bunten Kleidern eine
angeputzte Leiche. „O mein Gott, welch ein
Ungemach, gerade in diesem Augenblicke!“
so rief Aurelie und klagte dann mit sanfter
herzdurchdringender Stimme, daß ihre arme
Mutter zuweilen plötzlich vom Starrkrampf
ergriffen werde, daß dieser Zustand aber ge-
wöhnlich ohne Anwendung irgendeinesMittels
in ganz kurzer Zeit vorüberzugehen pflege.
Mit Mühe machte sich der Graf los von der
Baronesse, und alles glühende Lehen süßer
Lieheslust kam ihm wieder als er Aureliens
Hand faßte und feurig an die Lippen drückte.
Beinahe zum Mannesalter gereift, fühlte der
Graf zum erstenmal die ganze Gewalt der
Leidenschaft, um so weniger war es ihm mög-
lich, seine Gefühle zu verbergen, und die Art,
wie Aurelie dies aufnahm in hoher, kind-
licher Liebenswürdigkeit, entzündete in ihm
die schönsten Hoffnungen. Wenige Minuten
waren vergangen, als die Baronesse aus dem
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