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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Schultz, A. v.: Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0045
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Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir.
Von A. v. Schultz-Giessen.
Mit 12 Abbildungen auf 2 Tafeln (VII—VIII).

®>n das früheste Alter des Menschengeschlechts
w geht die Bedeutung des gewaltigen eurasia-
2z tischen Faltengürtels, der sich von den
Pyrenäen über den europäischen und asiatischen
Kontinent bis in die Inselwelt Ost-Asiens er-
streckt, für die Entwickelung der Menschheit
zurück. Wohl schon in der Eiszeit trennten diese
Gebirge die in Asien bis Ost-Europa sitzende
Bevölkerung von den in Indien und um das
europäische Mittelmeer ansässigen Völkern. Und
diese gewaltige Mauer schützte letztere vor dem
rauhen Norden und ließ die älteste Mittelmeer-
kultur aufblühen. Längs den langen Achsen des
eurasiatischen Kontinents, sich an die gleichen
Klimagürtel haltend, vollziehen sich die weiteren
Völkerbewegungen: von Westen fluten Wogen
nach Osten, von Osten wogt es nach Westen.
Die jüngeren Völker, Germanen, Slawen dringen
nach Ost-Europa vor und die letzte Welle, in Gestalt
der neuesten russischen Kolonialbewegung, prallt
an den Stillen Ozean. Die asiatischen Wellen
nahmen ihren Ursprung in Indien und China,
zogen nach Nordosten, um im nördlichen China
nach Westen, nach Inner-Asien abzubiegen. Der
Ausschlag nach Westen schiebt wilde Nomaden-
horden nach Europa hinüber.
Unter dem 73. Längengrade findet, im Pamir,
die bedeutendste Scharung der einzelnen, nach
Süden konvexen Bogenstücke des eurasiatischen
Faltengürtels statt: Hindukusch knüpft sich an
Himalaya, wobei beider Endglieder nach Norden
aufgebogen werden. Gleichaltrige, fast äquatorial
streichende, von Norden, vom Tien-schan herab-
flutende Gebirgswellen stauchen sich an dieser
Aufbiegung, ein gewaltiges, über 4000 m hohes
Hochland bildend, den zentralen Pamir, während
sie im Westen frei werden und sich allmählich
in den iranischen Ländern und den Wüsten
Turans verlieren. Die steile, 5—6000 m auf-
ragende Wand des Hindukusch fängt die feuchten
Monsumwinde aus dem Süden auf; die im Sommer
vom innerasiatischen Minimum angezogenen, aus
dem Westen kommenden Winde trocknen aus,
und dieses niederschlagsarme, kontinentale Klima

bewirkt eine schnelle Verwitterung und Abtragung
der Berge des zentralen Pamir. Wohl entwickeln
sich hier Flüsse, aber sie sind zu schwach, um
den Schutt aus den Tälern hinauszuschaffen. Er
bleibt liegen, füllt die Depressionen des Landes
aus und schafft weite, öde Täler und hochflächen-
ähnliche Strecken, die, jeglichen Baumwuchses
bar, nur von dürftigen Kräutern und Gräsern
bestanden, den nomadisierenden, mongolischen
Kirgisen spärliche Existenzmittel bieten. Es sind
nur einige tausend Menschen, die hier auf einem
Flächenraum von fast 50000 qkm, in durch-
schnittlich 4000 m Seehöhe, mit ihren Schaf- und
Ziegenherden umherziehen. Die kleinen, unsicher
in ihren breiten Betten fließenden, in ständigem
Konflikt mit dem Gekriech der Berge sich
befindenden Flüsse dringen zwischen die finger-
förmig nach Westen weisenden Ketten ein und
werden, je weiter sie in den klimatisch günstigeren
Teilen des westlichen Pamir fließen, immer
kräftiger. Die Niederschlagsmenge nimmt zu;
Schnee und Eis auf den Kämmen der Bergketten
speisen im Sommer die Flüsse und geben ihnen
Kraft, sich tief in ihr Bett einzuschneiden.
Der Schutt bleibt nicht mehr liegen, er wird
fortgeführt. Eine echt alpine Landschaft ent-
steht. Reichere Vegetation, die es in den nun-
mehr durchschnittlich 2000—2500 m hohen Tälern
zur Entwickelung oft undurchdringlicher Galerie-
wälder kommen läßt, hindert den Nomaden
einzudringen, fördert aber die Kultur der hier
ansässigen arischen Bevölkerung. Die Grenze
zwischen Ariern und Mongolen, zwischen Acker-
bauern und Nomaden, verläuft ungefähr auf dem
72. Längengrad. Aber auch im äußersten Osten,
im chinesischen Pamir gelingt es den Quell-
flüssen des Jarkand-darja, dank der mächtigen
Gletscherentwicklung der über 6000 m aufragen-
den Bergketten, tiefere Täler auszugraben und einer
ansässigen arischen Bevölkerung, den in Zentral-
Asien am weitesten nach Osten vorgeschobenen
Ariern, Ackerbau zu ermöglichen.
Es ist die günstige Anordnung der nach
Iran und Turan ausstrahlenden Ketten, die den

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