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Burgkapellen.

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wiesen), befinden sich dieselben indessen nicht immer neben grösserenKirchen,
sondern stehen für sich allein und haben ausser in Brzevnov auch keinen
Totenkeller, gehören daher nicht zu den Karnern und scheinen besonders
auf dem Lande vielmehr als interimistisch errichtete Pfarrkirchen angesehen
werden zu müssen; der zu Raudnitz ist eine Wallfahrtskapelle. Den böh-
mischen ist auch vielfach ein Turm angebaut, in welchem sich eine Empore
befindet, und in der Mitte über dem Kup-
pelgewölbe eine mit Doppelfenstern ge-
schmückte Laterne. Von dem 1160 gegrün-
deten ansehnlichen Rundbau zu Scheibling-
kirchen bei Wiener-Neustadt ist die ur-
sprüngliche Bestimmung als Pfarrkirche
urkundlich erwiesen, ebenso in Holubitz
und Libaun in Böhmen. — Den böhmischen,
ganz einfach und schmucklos ausgeführten
Rundkapellen wird zwar gern ein sehr hohes
Alter zugeschrieben, doch ohne eigentlichen
Beweis;1 die stilisierten und zum Teil
schmuckvollen Rundbauten in den übrigen
österreichischen Ländern reichen indes nicht
über die Mitte des XII. Jahrhunderts hinauf
und die dem XIII.—XV. Jahrhundert an-
gehörigen haben die Polygonform.
Eine besondere Gattung der Oratorien bilden die Burgkapellen
(capellae castellanae, palatinae),2 insofern dieselben meistens, der seit
dem XII. Jahrhundert ausgebildeten Bauart der Burgen gemäss,. mit den
stets im zweiten Stocke belegenen herrschaftlichen Wohnräumen in Verbiu-
bindung stehend, gewöhnlich nicht zu ebener Erde, sondern ebenfalls im
Obergeschoss angelegt wurden.3 In den zur Hohenstaufischen Zeit erbauten
Burgen zu Gelnhausen, Münzenberg (in der Wetterau), auf dem Trifels
(Rheinpfalz), Boyneburg (Reg.-Bez. Kassel), Nassau und Westerburg (Reg.-
Bez. Wiesbaden), Neustadt a. d. Haardt (Ruine aus dem XI. Jahrhundert
mit Empore) liegen oder lagen die Kapellen in einem Turme unmittelbar
über der Thorhalle. Solche finden sich auch im Ordenslande Preussen über


Fig. 3. Prag. Rundkapelle.

dem oberen Stockwerke führen zwei gebrochene Freitreppen. Vergl. von Quast, Ferd.,
die altchristl. Bauwerke von Ravenna, 24. — In Österreich bezeichnet der Volksmund
die Kamer als Heidentempel.
' Die völlig den einfachen böhmischen Typus zeigenden Rundkapellen zu Groitzsch
bei Pegau und auf dem Petersberge bei Halle gehören ins XI. Jahrh. und sind wahr-
scheinlich auf Verbindungen mit Böhmen zurückzuführen. Vergl. Otte, Bauk., 189.
2 von Quast Ferd. über Sclilosskapellen als Ausdruck des Einflusses der weit,
ülaclit auf die geistliche’. 1852. — Schultz, Alw., d. höfische Leben zur Zeit der
Minnesinger. I, 87 ff.
3 In älteren Burganlagen befindet sich die Kapelle nicht selten, wohl zu ihrer
besseren Sicherung, im Erdgeschosse des Hauptwehrturms. Auch in Nürnberg steht
über dem Chor der Burgkapelle der sogenannte Heidenturm. In der Ruine Stahrem-
berg in Niederösterreich befindet sich die alte Kapelle ebenso untergebracht, während
l]n späteren gotischen Wohnliause eine zweite Kapelle im 2. Stockwerke liegt.
 
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