Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0015
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Oeuvre aller jener Werkstätten zusammenzustellen und in seiner chrono-
logischen Entwicklung festzulegen. Durch die genaue Sonderung der ver-
schiedenen Werkstätten konnten gleichzeitig zahlreiche Stticke in öffent-
lichen und privaten Sammlungen, die durch den Kunsthandel verschleppt
worden sind, in ilire ursprünglichen Zusammenhänge eingereiht werden.

Über den Rahmen einer Erschheßung der Ulmer Plastik hinaus scheint
mir den vorliegenden Ergebnissen jedoch noch weitere Bedeutung zuzu-
kommen. Die Ulmer Plastik um 1500 ist in solch zahlreichem Denkmäler-
bestand erhalten, wie kaum eine andere. Von Wichtigkeit ist dabei, daß
nicht, wie etwa in Würzburg, nur eine Werkstatt hervortritt, sondern daß
eine ganze Reihe zum Teil großer Betriebe nebeneinander bestehen und in
ihrer Eigenart deutlich zu unterscheiden sind. Allen gemeinsam ist die
Handwerklichkeit des Schaffens. Der Einblick in die Arbeitsmethode spät-
gotischer Werkstätten ist hier besonders deutlich zu gewinnen. Jede Werk-
statt besitzt ihre eigenen, fest geprägten Motive der Gewandgebung, ihre
bestimmten Formeln und Rezepte, die von allen Werkstattmitgliedern in
gleicher Weise angewendet und in langen Jahren der Bentitzung fast un-
verändert beibehalten werden. Das dutzendhafte Herstellen fester Typen
charakterisiert die Arbeitsweise all dieser spätgotischen Bildschnitzer. Der
Unterschied zwischen Original und Kopie, zwischen eigenhändiger Arbeit
des Meisters und Werkstattgut, wird sich bei solchen Verhältnissen selten in
der Genauigkeit feststellen lassen, wie es der Neigung kunstgeschichtlicher
Eorschung entspricht. In fast unmerklichen Nuancen vollzieht sich der
Übergang von der persönlichen Arbeit des Meisters über die vielen Durch-
schnittsleistungen der Gesellen bis zur Kopie letzten Grades. Nur ganz
besondere Qualität erlaubt eigenhändige Meisterarbeit anzunehmen. Aber
selbst dann noch bleibt der Begriff des Originals im modernen Sinn be-
denklich. Auch bei Werken auf gleicher Stufe künstlerischer Potenz und
gleichen Stils erleben wir die Wiederholung fester Werkstatt-Typen. Der
Meister selbst verschmäht es nicht, mehrere Male demselben Schema zu
folgen. Das Traditionelle, die Formel, spricht in der Spätgotik imrner
stärker als das Persönliche. Auch qualitativ geringwertigere Arbeiten
mußten in der vorliegenden Arbeit gelegentlich herangezogen werden, um
das Bild der einzelnen Werkstätten und den Ausdehnungsbereich ihrer
Produktion zur Vollständigkeit zu ergänzen.

Nur die Uliner Bildwerke sind aus dem bisher aufgenommenen Denk-
mälermaterial für die vorliegende Untersuchung ausgesondert worden.
Weitere Arbeiten des Tübinger Instituts tiber andere Schulen des schwä-
bischen Gebiets werden sich voraussichtlich anschließen 1. Der Dank, den

1 In druckfertigem Zustand liegt bereits die Arbeit von I,. Böhling, Die spätgotische Plastik im
württembergischen Neckargebiet vor, die gleichfalls in den „Tübinger Forschungen zur Arcliäologie
und Kunstgeschiclite“ erscheinen wird.

II
 
Annotationen