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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0201
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6. Die Anfänge Syrlins und die Herkunft seines Stils.

Mit deni Hochaltar von Alpirsbach und seinen Verwandten sind wir bis
an die letzten Debensjahre Syrlins gelangt. 1519 entstand der Altar von
Reutti, um 1520 etwa wird Alpirsbach anzusetzen sein und 1521 hat als
das Todesjahr Syrlins zu gelten 1. Bine außerordentlich große Fülle von
Bildwerken drängt sich, wie wir sahen, in die Spanne von 25 Jahren Werk-
stattarbeit zusammen, die zwischen 1496 und 1521 liegt. Mit zwei Haupt-
schöpfungen, den Altären von Bingen und Ennetach, beide unr 1496 ge-
fertigt, setzt unsere Kenntnis von Syrlins Tätigkeit inr Wesentlichen ein.
Zu denr sclron bekannten Bestand der fiir ihn gesicherten Altarwerke
konnten wir eine lange Reihe weiterer Schöpfungen nachweisen, von denen
einige wenige als eigenhändige Meisterarbeiten anzuspreclren sind, wälrrend
die große Mehrzahl nur als Werkstattgut zu werten ist. Keines dieser Bild-
werke liegt zeitlich vor Bingen oder Ennetach. Trotzdenr nruß schon eine
imrfangreichere Tätigkeit vorausgegangen sein. Wie sclron eingangs er-
wähnt, ist Syrlin unr 1455 geboren. Wie steht es nrit denr ersten J alrrzehnt
seiner Tätigkeit ? Was ist uns aus seinen Anfängen erhalten? Wann beginnt
er überhaupt nrit seiner Raufbahn ?

Aus denr Jahr 1475 besitzen wir als erstes Dokunrent seines Wirkens
den Entwurf zu einenr Vespertoliunr. Seine erste ausgefiihrte, wenigstens
teilweise auf uns gekomnrene Arbeit ist das Vespertoliunr des Ulnrer Mirn-
sters (1482), dessen figiirlicher Schmuck, drei kleine Prophetengestalten,
sich erhalten hat. Außerdenr kennt man aus dieser frühesten Periode noclr
den Grabstein des Hans v. Stadion und das Clrorgestiihl zu Oberstadion,
beides nur handwerkliche Arbeiten. Gering genug ist diese Ausbeute fiir
einen Zeitraunr von nrehr als 15 Jahren. Sollte Syrlin wirklich vor 1496,
vor Bingen und Ennetach keine Großplastik geschaffen haben? Die Apostel
von Ochsenhausen, die 1496 bis 1499 entstanden, deuten als Replik der
Bingener Altarfiguren darauf, daß Syrlin danrals schon einen größeren
Werkstattbetrieb unterhalten hat. Man wird annehnrerr diirfen, daß er
vonr Jalrre 1491 ab, wo sein Vater starb, einer eigenen Werkstatt vorstand.
Mit einiger Vorsicht läßt sich vielleicht ein Bild seines Wirkens in diesen
ersten 90er Jahren gewinnen.

Das geschlossene Oeuvre einer selbständigen Kiinstlerpersönlichkeit liegt
uns in einer Anzahl von Werken vor, die alle der Zeit unr 1490 angehören
und stilistisch wie qualitativ nrit den Arbeiten Syrlins die engste Verwandt-
schaft zeigen. Ilrre direkte Fortsetzung finden sie in den Altären von Bingen
und Ennetach und den sich unr diese gruppierenden Schöpfungen. Als erste
Arbeit jener Gruppe eng zusamnrengehöriger Bildwerke ist der Sebastians-
altar (Abb. 217) zu nennen, der in der Neithartkapelle des Ulnrer

1 vgl. Baum, Ulmer Plastik S. 51.

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