Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Koninklijke Nederlandse Oudheidkundige Bond [Hrsg.]
Oudheidkundig jaarboek — 3. Ser. 1.1921

DOI Artikel:
Clemen, Paul: Denkmalpflege und Kunstverwaltung in neuem Deutschland in ihren Beziehungen zum Ausland
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19958#0036
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

DENKMALPFLEGE UND KUNSTVERWALTUNG IM NEUEN

Hofverwaltung, der kirchlichen Gegenstande aus der kaiserlichen Schatzkammer,
endlich der gesamten Bestande der Marstalle. Dass dieser Verkauf, mit dem sich
Oesterreich nicht nur fmanziell, sondern auch moralisch bankerott erklarte, nicht
zustande kam, war nur veranlasst durch den Einspruch der Ententekommission,
die auf Grund des § 192 des Friedensvertrages van St. Germain sich diese sicheren
und immer realisierbaren Pfander selbst vorbehalten wollte. Der Verkauf sollte
damals nach Holland gehen, und es war für das erste Los eine Summe van 15.000.000
hollandischen Gulden vereinbart. Und heute? In seiner furchtbaren Not hat Oester-
reich mit der Verpfandung seines angeblich entbehrlichen Kunstbesitzes begonnen,
und man weiss, was das heisst, da diese Pfander niemals einzulösen sein werden.
Aber Wien hungert und friert und büsst in diesem Winter wieder von seiner Vita-
litat einen guten Teil ein, die Widerstandskraft selbst gegen die schmachvollsten
Zumutungen wird immer geringer.

Ist es befremdlich, dass unter diesen Umstanden, angesichts dieser wach-
sende Gefahren, die deutsche Regierung sich jetzt wenigstens dadurch zu schützen
sucht, dass sie das Abfluten der Kunstwerke in das Ausland unter genaueste Kon-
trolle stellt? Unter dem 11. Dezember 1919 ist eine Reichsverordnung über die
Ausfuhr von Kunstwerken ergangen, die die Ausfuhr eines Kunstwerkes von einer
besonderen Genehmigung abhangig macht, sobald es in die Verzeichnisse der Werke
eingetragen is „deren Verbringung in das Ausland einen wesentlichen Verlust für
den nationalen Kunstbesitz bedeuten würde”. Der Verkauf dieser Kunstwerke ist
nicht absolut verboten; da in dem Dreimannerausschuss, der über die Genehmigung
zur Ausfuhr zu entscheiden hat, auch ein Vertreter des Reichsbankdirektoriums
sitzt, ist zu erwarten, dass unter Umstanden auch, zumal bei ganz grossen Objek-
ten, die materiellen und finanzpolitischen Ansprüche des Reiches zu Worte kommen.
Es soll mit dieser Reichsverordnung ungefa.hr das gleiche erreicht werden, wie mit
dem eben unter dem 7. September 1920 erlassenen französischen Kunstausführgesetz,
das die Ausfuhr von Kunstwerken von nationalem historischem oder künstlerischem
Interesse überhaupt verbietet. Nach der Analogie dieses französischen Gesetzes und
nach dem Wortlaut der viel alteren griechischen, türkischen, italienischen, bulga-
rischen Kunstgesetze möchte man die Definition der „national wertvollen” Kunst-
werke so fassen, dass hier die Absicht betont wird, alle Kunstwerke dem Vaterland
zu erhalten, die irgendwie für die Geschichte der deutschen Kunst und der nationalen
Kultur von Bedeutung sind. Man darf sich erinnern, dass bis zum Erlass jener
Verordnung eines der Hauptwerke der deutschen Malerei und der Malerei aller Zeiten
die Holbeinsche Madonna des Bürgermeisters Meier, sich im freien durchaus unge-
bundenen Privateigentum des Grossherzogs von Hessen befand, und dass niemand
ihn hatte verhindern können, sich dieses Besitzes etwa gegen eine Riesensumme
nach Amerika zu entaussern. Selbst wenn dann einem deutschen Museum ein Vor-
kaufsrecht eingeraumt worden ware, würde bei unserer vernichteten Valuta doch
jede Konkurrenz mit einem Auslandspreis ausgeschlossen gewesen sein. Ueber diese
Standardwerke der deutschen Kunst hinaus handelt es sich aber hier auch um alle
 
Annotationen