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Oxé, August
Frühgallische Reliefgefäße vom Rhein — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 6: Frankfurt/​M., 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.42776#0015
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I. Allgemeiner Teil.
Die Sigillata-Industrien, die zu Tiberius’ Zeit in den Provinzen entstanden, nahmen je
nach der Provinz eine ganz verschiedene Entwicklung, wie die provinzialen Sigillatagefäße von
Pogallien, Kleinasien, der Schweiz und Südgallien erkennen lassen: diese Gefäße unterscheiden
sich von ihren arretinischen Vorbildern bald mehr, bald weniger, dort früher, hier später in
Ton, Firnis, Gefäßform, Stempelweise und Relief. Die ersten bodenständigen südgallischen
Sigillatafabriken, die gleichaltrig sind mit den provinzialen Mfe«/S-Filialen, stellten glatte Sigil-
lataware (Tassen, Teller, Platten u. a.) her, die sich kaum von den arretinischen Gefäßen unter-
scheiden; auf ihren verzierten Sigillatagefäßen dagegen machte sich der Einfluß gallischer
Eigenart von vornherein stark bemerkbar, weniger in den Gefäßformen, als im Stil des Reliefs.
Denn die drei Hauptformen der frühgallischen Reliefgefäße können ihre italischen Vorbilder
nicht verleugnen: der Kelch (Drag, n), der zylindrische Napf (Drag. 30) und die Schüssel (Drag.
29); mag letztere Form auch auf eine einheimische Latene-Form zurückgehen, so ist diese doch
durch Anbringung des plastischen Streifens, der die beiden Reliefzonen trennt, und durch die
zylindrische Gestaltung der oberen Zone stark umgemodelt und den zweizonigen italischen Relief-
gefäßen angeglichen worden. Das Relief der drei Gefäßformen erhielt aber schon sehr früh
ein so ausgesprochen gallisches Gepräge, daß es von dem hellenistisch-römischen Stil der italischen
Reliefgefäße stark absticht und unschwer davon zu unterscheiden ist. Die Stilunterschiede zwischen
dem gallischen und ‘arretinischen’ Relief sind so groß, daß man gewöhnlich übersieht, in wie
hohem Maße trotzdem gerade die ältesten südgallischen Reliefgefäße von arretinischen Vorbildern
beeinflußt und abhängig sind. Schließlich verdienen auch die Formen der ältesten Töpfer-
stempel, die auf gallischen Reliefgefäßen angebracht sind, eine besondere Reachtung, da auch
sie die italischen Vorbilder nicht verleugnen. Die zusammenhängende Erörterung dieser Fragen
erfolgt in vier Abschnitten, welche die Datierung, die Gefäßformen, das Relief und die Stempel-
formen behandeln.

1. Die Datierung.
Die Datierung der ältesten südgallischen Reliefgefäße geht am sichersten von den ältesten
glatten Sigillatagefäßen gallischer Töpfer aus, die in den jüngsten Schichten Halterns (14 bis 16
n. Chr.) begegnen und auf ihren Stempeln die Töpfer Fronto, lothur, Rusticus, C. Tigranus,
A4. Valerius, Sex. Varius nennen. Von den meisten dieser Töpfer ist nicht bekannt, wo ihre
Töpfereien lagen; Fronto und Sex. Varius arbeiteten wahrscheinlich in Mont ans am Tarn. Dort
erblühte um diese Zeit eine ansehnliche Sigillata-Industrie; aber ihre Ware, ganz im Stil der
Arretina gehalten, fand noch nicht oder nur selten den Weg bis zum Rhein und zur Lippe; sie
blieb in der Hauptsache auf den Südwesten und Westen Galliens beschi’änkt. Man kann das
bescheidene Verbreitungsgebiet der ältesten Montanser Ware sehr gut im Corpus inscriptionum
latinarum (XIII 10009, 1 und 5 und 10010, 37 und 851) feststellen an den beiden Töpfernamen
Acutus und Leptas'), wenn man nur deren älteste Stempelformen in Retracht zieht, d. h. die
zweizeiligen oder von einem Kränzchen umrahmten, Sie gelangten nur bis Poitiers (5), Autun,
Bordeaux (2), Varennes (2), Mendeure, Vichy [Moulins], Chäteau-Laudon, Tours [Clermont], Li-
moges, Angers; dazu kommen noch OFFICIN / ACVTI vom Mont Beuvray, OFFICI / ACVTI

1) Vgl. Oxe, die ältesten Terrasigillata-Fabriken in Montans, Archäol. Anzeiger 1914, 61 ff.

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