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Paatz, Walter <Prof.Dr.>
Werden und Wesen der Trecento-Architektur in Toskana: die grossen Meister als Schöpfer einer neuen Baukunst: die Meister von S. Maria Novella, Niccolò Pisano, Giovanni Pisano, Arnolfo di Cambio und Giotto — Burg b. M., 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.34058#0109
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dekorativen Werken, die zwischen 1277 und 1300 entstanden sind (z. T. signiert Ar-
nolphus Florentinus). Sein Stil war vorwiegend von Niccolo Pisano bestimmt, verwertete
aber auch cosmatische, römisch-antike und französisch-gotische Elemente.
Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Ergebnissen unserer Forschungen über die
Kirchen des Arnolfo di (. ambio, so fällt eine merkwürdige Übereinstimmung auf. Auch
die Florentiner Bauten beruhen auf der Kunst des Niccolo Pisano im allgemeinen und
auf dem Sieneser Dom im besonderen. Sie enthalten umbrische Formen, müssen also
von einem Meister geschaffen sein, der die Peruginer Gegend aus eigener Anschauung
kannte. Auch bezeugen sie unzweideutig, daß ihr Schöpfer mit den Monumenten Roms
wohl vertraut war, und wiederum gerade mit den Werken der Cosmaten und den Denk-
mälern der späten Antike ""A- Zudem haben sie die Formen gemeinsam, die gleicher-
maßen auf Monumentalarchitektur und auf Dekorationsstücke angewendet werden konn-
ten; das bezeugt die Verwandtschaft der Portaltabernakel der Florentiner Domfassade
mit den römischen Altartabernakeln (vgl. unten S. 97 f.).
Wir können also sagen: der Florentiner Architekt Arnolfo di Cambio muß auf seinem
Lebensgange dieselben Orte berührt haben, in denen der Bildhauer Arnolphus Floren-
tinus nachweislich weilte; er hat mit diesem die künstlerische Erziehung und die Grund-
züge des Stiles gemein.
Dieser Tatbestand legt einen Schluß nahe: es handelt sich um ein- und dieselbe Person.
Zu diesem Ergebnis ist jüngst auch, unter Benutzung des bereits veröffentlichten Teiles
unserer Beobachtungen, Flarald Keller gekommen, im Verlauf einer Untersuchung über
die Bildwerke Arnolfos"""). Wir freuen uns über diese Bestätigung. Harald Kellers
Versuch freilich, unter der Masse der arnolüanischen Figuren die wenigen herauszu-
ünden, die von des großen Meisters eigener Hand gemeißelt sein könnten, will das Un-
mögliche erzwingen. Zwar haben sich bessere Bildwerke von geringeren absondern
lassen, aber der völlige Mangel an zweckdienlichen Quellenangaben entzieht die Zu-
schreibung der besseren Arbeiten an Arnolfo selbst jeder objektiven Kontrolle. Diese
Werke könnten ebensogut Schöpfungen eines hochbegabten Helfers sein. Sie können es
um so mehr, als einige unter ihnen — die üorentinischen — einen rein toskanischen, von
römischen, umbrischen und neapolitanisch-französischen Einwirkungen völlig unbe-
rührten Stil haben ""Q, der sich nicht mit dem Lebensgang und dem architektonischen
Stil Arnolfos in Einklang bringen läßt. Über diesen Punkt möchten wir daher ein zurück-
haltendes Urteil empfehlen. Indem er ihn in der angedeuteten Weise behandelte, beraubte
Keller unseres Erachtens seine Arbeit der letzten, wichtigsten Folgerungen, auf die er
sie doch selbst hingeführt hatte""'").
Er kam nämlich auf Grund sorgfältiger, durchaus überzeugender Beobachtungen zu fol-
gender Darstellung der arnolüanischen Werkstattgebräuche. Als die entscheidende künst-
lerische Tat galt der Im Entwurf bereits ließ sich alles geben, was den Be-
stellern als begehrenswert erscheinen mochte. Die Ausführung trat demgegenüber zu-
rück und konnte ruhig untergeordneten Kräften überlassen werden. Das haben wir unsrer-
seits auch von den Bauwerken abgelesen. Keines von ihnen wurde von Arnolfo selbst
vollendet, und dennoch galt ein jedes als vollgültige Offenbarung seines Geistes""")- Die
arnolüanischen Formgedanken waren in der Tat so neu, sie gestalteten das eben damals
machtvoll zur Selbstgestaltung drängende Schönheitsideal italienischer Nation so über-
zeugend, daß die Haltung der Zeitgenossen durchaus verständlich wird. Angesichts einer
schöpferischen Leistung von dieser Kraft begreift man vollkommen, daß die Mächtigsten
in ganz Italien, daß der Papst, der König beider Sizilien und die Florentinische Regie-
rung ihren infolge des Zusammenbruchs der Reichsgewalt hell aufstrahlenden Glanz
durch die Dienste dieses Künstlers zu verherrlichen begehrten, und daß sie sich schon
glücklich schätzten, wenn sie dem vielumworbenen Manne Entwürfe und ausführende

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