Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wie der Tag sie brauchte, nur dafs man früher nicht so viel
von ihnen erfuhr, als jetzt zur Zeit der unzähligen Aus-
stellungen und der unzähligen Kunstschreiber. Wer in den
grofsen Drillanstalten, Akademien genannt, abgerichtet wurde,
mit Farbe und Pinsel zu hantieren, kann ein sehr geschickter
Maler sein, kann, wenn er Geschmack und Intelligenz hat,
zu lauten Erfolgen kommen und er ist dennoch kein Künst-
ler. Das Künstlertum kann nirgends gelehrt werden, es ist
da oder es ist nicht da. Der herkömmliche Sprachgebrauch
nur verwischt die Grenzen zwischen Malern und malenden
Künstlern. In litterarischen Dingen ist das nicht der Brauch.
Es wird Niemandem einfallen, irgend einen geschickten Possen-
fabrikanten oder einen fruchtbaren Romanschreiber ohne
Weiteres zum Dichter zu stempeln. Allerdings ist das Urteil,
das allo-emeine wenigstens, oft getrübt durch die Mode und
durch die geringe Distanz. Unwillkürlich wird es partei-
ischer, für oder wider, je näher ihm zeitlich die Leistung
steht. Daher die merkwürdigen Ueberschätzungen der Zeit-
genossen zum Beispiel bei Kotzebue, Raupach, Raphael Mengs
und die noch merkwürdigeren Unterschätzungen bei Feuer-
bach, Böcklin und einer ganzen Reihe bedeutender Künstler.
Nun geschah es aber, dafs auch den mittelmäfsigen
Malern und schlechten Musikanten die Ausstellungen mifs-
fielen, und als sie über die Gründe nachdachten, fanden sie,
weil sie ganz in der Konvention und der üblen Tradition
stecken geblieben, dafs den jungen Neuerern ein zu grofser

Platz eingeräumt werde, und weil sie zugleich gute Patrioten
waren, fanden sie, dafs man das Ausland zu sehr bevorzuge.
Sie strebten durch alle Mittel das Heft in die Hände zu be-
kommen, um mit scharfem Messer der Jugend den Lebens-
faden und den fremdländischen Malern die Verkaufsgelegen-
heit abzuschneiden. Einige aus ehrlicher Ueberzeugung, bei
vielen aber war die Sache einfach eine Brotfrage. • Und sie
hatten ein gutes Recht mit Energie für ihre Existenz zu
kämpfen. Die Malerei ist heute ein Beruf, wie jeder andere;
ob ein jünger Mann Maler, oder Arzt oder Lehrer wird,
hängt bei der Ueberfüllung aller Berufsarten oft mehr vom
Zufall, als vom innern Drange ab, und die Hoffnung auf
rasche und mühelose Erfolge besticht ebenso wie das Beispiel
von ein paar Glücklichen. Aber fast immer tritt bald die
Enttäuschung ein und nun gilt es, -was immer zu retten.
Daher denn auch der Zorn gegen die jungen Neuerer, die
alle schlechte Konvention zum alten Eisen werfen wollten
und das Geschäft verdarben, daher der Widerwille gegen die
talentvollen Fremden. Ein wüstes Treiben brach los; hüben
und drüben fielen harte Worte. Manch Friedfertiger zog sich
unwillig von den Parteien zurück. Aber die guten Patrioten,
die so schlechte Bilder malten, behielten die Oberhand und
erreichten durch ihre Umtriebe, wovon man lange schon ge-
sprochen, wozu man sich aber doch immer noch nicht hatte
entschliefsen können, nämlich eine Spaltung in der Münchener
Künstlerschaft, die Begründung der Sezession.

C 245 b
 
Annotationen