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„Jamais de paralleles dans la nature, soit droites, soit
courbes."

„II y a des lignes qui sont des monstres: la droite,
la Serpentine reguliere et surtout deux paralleles."
Der Neo-Impressionist wird seine Umrifsskizze durch eine
entsprechende Kombination von Linien und Farben durch-
bilden und vervollständigen, deren Dominanten, je nachdem
er Freude, Trauer, Ruhe oder Dazwischenliegendes ausdrücken
will, variieren werden, und folgt auch bei dieser Berücksich-
tigung der moralischen Wirkung von Linie und Farbe wie-
derum den Lehren Delacroix':

„La couleur n'est rien si eile n'est pas convenable au
sujet et si eile n'augmente pas TerTet du tableau par
l'imagination."

„Si, ä une composition interessante par le choix du
sujet, vous ajoutez une disposition de lignes qui aug-
mente l'impression, un clair obscur saisissant pour l'ima-
gination, une couleur adaptee aux caracteres, c'est l'har-
monie et ses combinaisons adaptees ä un chant unique."
„Une conception, devenue composition, a besoin de
se mouvoir dans un milieu colore qui lui soit particulier.
II y a evidemment un ton particulier attribue ä une partie
quelconque du tableau qui devient clef et qui gouverne
les autres. Tout le monde sait que le jaune, l'orange et
le rouge inspirent et representent des ide'es de joie, de
richesse."

„Je vois dans les peintres des prosateurs et des poetes.
La rime les entrave, le tour indispensable aux vers et qui
leur donne tant de vigueur est l'analogie de la symetrie
cache'e, du balancement, en meme temps savant et inspire
qui regle les rencontres oü l'ecartement des lignes, les
taches, les rappels de couleur... Seulement, il faut des
organes plus actifs et une sensibilite plus grande pour
distinguer la faute, la discordance, le faux rapport dans
des lignes et des couleurs."

Wenn die Neo-Impressionisten sich bemühen denLicht-
und Farbenglanz, den die Natur bietet, wiederzugeben und
aus dieser Quelle aller Schönheit die Grundbestandteile ihrer
Werke schöpfen, so halten sie es für vollauf berechtigt, diese
Elemente auszuwählen und anzuordnen und zu behaupten,
dafs ein Bild in Linie und Farbe von einem echten Künstler
komponiert ein überlegeneres Schaffen darstellt, als die Kopie
der Natur, die der Zufall bietet. Sie können zur Verteidigung
dieses Prinzips nachstehende Zeilen Delacroix anführen:

„La nature n'est qu'un dictionnaire, on y cherche
des mots... on y trouve les ele'ments qui composent une
phrase ou un redt; mais personne n'a jamais conside're
le dictionnaire comme une composition dans le sens poe-
tique du mot."

„D'ailleurs la nature est loin d'etre toujours inte-
ressante au point de vue de 1'efFet de l'ensemble... Si
chaque detail offre une perfection, la re'union de ces
details pre'sente rarement un effet equivalent ä celui qui
resulte, dans l'ouvrage d'un grand artiste, de Pensemble
et de la composition."

Aus all dem erhellt wohl zur Genüge, dafs die Technik
der prismatischen Farbenzerlegung von Delacroix nicht blos
vorausgefühlt, sondern bis auf ihre kleinsten Einzelheiten

hinein völlig festgelegt wurde. Aber auch von andern Seiten
wurde erkannt, was dann der Neo-Impressionismus unserer
Gesamtkunst als neues Leben zuführen konnte und allen
Schaffenden ans Herz gelegt hat.

Ruskin verwirft in seinen „Elements of drawing" jede
blofse Pinselfertigkeit und tritt für ein Verfahren ein, bei
dem die Hand selbst nur eine unwesentliche Rolle spielt.

„Ich habe einen tiefen Widerwillen gegen Alles, was
nach blofser Handfertigkeit aussieht." —

Eine Farbe ist nur schön, wenn sie sorgfältig abgetönt ist:

„Man sieht in der Praxis, dafs die Kraft der Nuance,
die Lebhaftigkeit des Lichts und selbst die anscheinende Durch-
sichtigkeit der Schatten ganz wesentlich abhängig sind von
der Berücksichtigung des folgenden Umstandes: dafs näm-
lich die Härte, die Kälte und die Undurchsichtigkeit der
Farbe in viel höherem Mafse Folgen ihres zu gleichmäfsigen
Auftrags als ihres Tonwerts, ihrer Dunkelheit sind.

Es ist in der That physisch nicht unmöglich, eine Stelle
nicht abgestufter Farbe aufzuspüren} aber es ist so aufser-
ordentlich unwahrscheinlich, dafs man besser thut, wenn
man eine Nuance kopieren will, sich anzugewöhnen, nicht
zu fragen: Liegt hier eine Abstufung oder Schattierung vor?
sondern: Welcher Art ist die Abschattierung?, und in
neunundneunzig Fällen unter hundert wird man bei aufmerk-
samer Beobachtung das Gesagte bestätigt finden, auch wenn
die Abschattierung vielleicht so fein ist, dafs man sie zuerst
gar nicht entdecken konnte. Die geringe Ausbreitung des
Farbenfleckes thut dabei nichts zur Sache; und wäre er nicht
gröfser als ein Stecknadelknopf, so wird er zum toten Punkt,
wenn einer von seinen Teilen nicht dunkler als die übrigen
ist. Die Farbe mufs nämlich nicht blos deshalb abschattiert
werden, weil sie in der Natur nur so und nie einheitlich
vorkommt} sondern auch weil Zauber und Wert des Kolorits
von dieser Art des Farbenauftrags mehr abhängen als von
jeder anderen Eigenschaft, denn die Abschattierung ist für
die Farbe genau dasselbe, was die Kurven für die Linie.
Beide erwecken rein instinktiv im menschlichen Geist die
Empfindung des Schönen und Beide drücken sozusagen sym-
bolisch das Gesetz der allmählichen Entwicklung und des
Fortschritts aus. In Bezug auf die blofse Schönheit läfst sich
der Unterschied zwischen einer abschattierten und einer ein-
heitlichen Farbe leicht deutlich machen, indem man über ein
Blatt Papier eine einheitliche rosa Farbenschicht ausbreitet
und dann ein Rosenblatt dagegenhält. Die siegreiche Schön-
heit der Rose, die sie über alle anderen Blumen erhebt, ist
nur eine Folge der Zartheit und der Mannigfaltigkeit ihrer
Schattierungen. Alle anderen Blumen sind weniger reich an
Schattierung, weil sich bei ihnen entweder weniger Blätter
zu einer Blüte vereinigen oder weil ihre Blätter Flecken oder
Adern haben, statt, wie die der Rose, schattiert zu sein.

Dann bestätigt Ruskin, wie Turner in seiner Freude an
der Farbe auch dieses Mittel anwendete, um seine Nuancen
zu verschönern. „Man findet auch auf den gröfsten Bildern
Turners von 6—7 Fufs Breite und 4—5 Fufs Höhe nicht
eine auch nur strohhalmbreite Farbfläche, die nicht ab-
schattiert wäre." —

Die aufserordentliche Wichtigkeit dieser ganzen Frage
hervorhebend, verweist Ruskin den Künstler auf das Studium
der Natur, die ihm immer neue harmonische Momente bieten
würde.

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