DEGAS, FOYER DE LA DANSE
DEGAS
MIT einem Leichtsinn, den ich leider nicht einmal mit
meiner Jugend entschuldigen kann, hatte ich die Auf-
forderung der Redaktion des Pan ein paar Zeilen über Degas
zu schreiben, angenommen. Ich glaubte, dafs die Ueber-
zeugung den Redner mache und dafs Verstand und guter
Sinn mit wenig Kunst sich selber vortrage. Auch das Fon-
tane'sche Wort „die einfache dumme Kuh trifft immer das
richtige Gras" fiel mir ein.
Gar zu bald merkte ich aber, dafs die Sache doch nicht
so leicht sei, und dafs ich die Erzeugnisse meiner neuen
Kollegen, der Herren von der Feder, gewaltig unterschätzt
hatte.
Auch glaube ich, dafs es kaum einen Künstler giebt,
dessen Wesen schwerer in Worte zu fassen ist, als das des
Degas. Die Vorzüge von Menzel z. B. kann man fast mathe-
matisch beweisen: seine Meisterschaft in der Beherrschung des
Materials, seine unendliche Kunst: jeder Technik, dem Holz-
schnitt, der Lithographie, der Feder- oder Bleistiftzeichnung,
das Aeufserste an Ausdrucksfähigkeit abzugewinnen; das Genie,
mit dem er das Zeitalter Friedrich des Grofsen uns veranschau-
licht hat, wie er auf einen Raum von 12 cm — die Illustra-
tionen zu den Werken des grofsen Königs durften dieses Mafs
nicht überschreiten — ihn und seine ganze Zeit verkörpert
hat; seinen beifsenden Witz und die unerbittliche Wahrheit,
womit er Menschen, Tiere und Landschaft schildert; sein
riesiges Wissen und Können und seinen ebenso riesigen Fleifs.
Nichts von alledem bei Degas. Mit dem Verstand ist
ihm nicht beizukommen. Es ist eine rein sinnliche Kunst,
die nicht zu verstehen, sondern nur zu empfinden ist.
Nichts Positives — nur Suggestives.
Nach akademischen Begriffen kann er weder zeichnen
noch malen; statt tiefer philosophischer Ideen, bringt er das
Leben der Tänzerinnen, der Putzmacherinnen, der Jockeys
auf die Leinwand — kurz das Allertrivialste.
Auch fehlt ihm jede officielle Bestätigung für seine
Gröfse. Er hat weder Titel noch Orden — den einzigen
der ihm je angeboten wurde, die Ehrenlegion, lehnte er ab —
noch kann er, wie der selige Meissonier oder der noch lebende
(aber längst tote) Gerome den Beweis für seine Unsterb-
lichkeit durch seine Zugehörigkeit zum Institut — die 40
sind bekanntlich alle unsterblich — erbringen. Ja sogar
vor noch nicht 2 Jahren petitionierten die Akademiker beim
Minister — es war natürlich in Frankreich — dafs Degas'
Werke nicht im Luxembourg aufgenommen würden.
Und trotzdem werden kaum eines lebenden Malers Bilder
so teuer bezahlt wie die von Degas. In New-York wie in
C 193 D
25*
DEGAS
MIT einem Leichtsinn, den ich leider nicht einmal mit
meiner Jugend entschuldigen kann, hatte ich die Auf-
forderung der Redaktion des Pan ein paar Zeilen über Degas
zu schreiben, angenommen. Ich glaubte, dafs die Ueber-
zeugung den Redner mache und dafs Verstand und guter
Sinn mit wenig Kunst sich selber vortrage. Auch das Fon-
tane'sche Wort „die einfache dumme Kuh trifft immer das
richtige Gras" fiel mir ein.
Gar zu bald merkte ich aber, dafs die Sache doch nicht
so leicht sei, und dafs ich die Erzeugnisse meiner neuen
Kollegen, der Herren von der Feder, gewaltig unterschätzt
hatte.
Auch glaube ich, dafs es kaum einen Künstler giebt,
dessen Wesen schwerer in Worte zu fassen ist, als das des
Degas. Die Vorzüge von Menzel z. B. kann man fast mathe-
matisch beweisen: seine Meisterschaft in der Beherrschung des
Materials, seine unendliche Kunst: jeder Technik, dem Holz-
schnitt, der Lithographie, der Feder- oder Bleistiftzeichnung,
das Aeufserste an Ausdrucksfähigkeit abzugewinnen; das Genie,
mit dem er das Zeitalter Friedrich des Grofsen uns veranschau-
licht hat, wie er auf einen Raum von 12 cm — die Illustra-
tionen zu den Werken des grofsen Königs durften dieses Mafs
nicht überschreiten — ihn und seine ganze Zeit verkörpert
hat; seinen beifsenden Witz und die unerbittliche Wahrheit,
womit er Menschen, Tiere und Landschaft schildert; sein
riesiges Wissen und Können und seinen ebenso riesigen Fleifs.
Nichts von alledem bei Degas. Mit dem Verstand ist
ihm nicht beizukommen. Es ist eine rein sinnliche Kunst,
die nicht zu verstehen, sondern nur zu empfinden ist.
Nichts Positives — nur Suggestives.
Nach akademischen Begriffen kann er weder zeichnen
noch malen; statt tiefer philosophischer Ideen, bringt er das
Leben der Tänzerinnen, der Putzmacherinnen, der Jockeys
auf die Leinwand — kurz das Allertrivialste.
Auch fehlt ihm jede officielle Bestätigung für seine
Gröfse. Er hat weder Titel noch Orden — den einzigen
der ihm je angeboten wurde, die Ehrenlegion, lehnte er ab —
noch kann er, wie der selige Meissonier oder der noch lebende
(aber längst tote) Gerome den Beweis für seine Unsterb-
lichkeit durch seine Zugehörigkeit zum Institut — die 40
sind bekanntlich alle unsterblich — erbringen. Ja sogar
vor noch nicht 2 Jahren petitionierten die Akademiker beim
Minister — es war natürlich in Frankreich — dafs Degas'
Werke nicht im Luxembourg aufgenommen würden.
Und trotzdem werden kaum eines lebenden Malers Bilder
so teuer bezahlt wie die von Degas. In New-York wie in
C 193 D
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