LUDWIG VON HOFMANN, STUDIE
STEFAN GEORGE
ZUM ERSCHEINEN DER OEFFENTLICHEN AUSGABE SEINER WERKE
Die seele des künstlers selbst muss schön sein; denn in ihr ist das ewige Urbild das er
nicht schaffen kann und das werk das er mit fleiss und besonnenheit im vergänglichen Stoffe
hervorbringt, eins und dasselbe.
Erst in ihren ewigen geschöpfen erkennt die künstlerseele die eigne Vollkommenheit und
ewigkeit, und indem sie dieselben hervortretend anschaut, wird sie zugleich in ihnen sich ihrer
selber bewusst.
So ward denn die person des künstlers, insofern sie den gemeinen Verhältnissen angehört
vor dem Schönen vernichtet; nur um dieses war es ihm zu thun, nicht um sein eigenes gefühl
dabei, welches so ganz in das werk überging dass es nicht davon geschieden werden konnte.
Drei Aussprüche Solger's.
Eine Geschichte des Kunstgeschmackes würde für diese
Zeit eine ungeheure Ueberschätzung der Skizze, des Unfertigen
Angedeuteten, in der Seele des Schaffenden selber erst Er-
dämmerten zu verzeichnen haben. Soviel von einsamem
Ringen, Entsagung, Eigenart auch die Rede ist, so scheint
doch das Verständnis für den "Wert der Meisterschaft, der
mühevoll erworbenen Beherrschung immer mehr zu schwin-
den. Anselm Feuerbach, der nie genugsam zu preisende,
ist einer Zeit erlegen, die auf allen andren Lebensgebieten
fruchtbringender, zielsicherer Arbeit den Tugendpreis erteilt;
Stefan George, dem Dichter „ein Stilist in einer Zeit der
Stillosigkeit", wird der Vorwurf nicht mangeln, dafs seine
ausgereiften, strenggefügten, klaren Bücher die Seele unsrer
Zeit, ihre Wunden und purpurnen Seligkeiten doch nicht
offenbarten. Denn er ist kein Mystiker, kein Stifter neuer
Religion, kein hell-dunkler Zauberer, und seine "Werke zeigen
eine zum Einfachen, Ungeschmückten, Strengen fortschrei-
tende Entwicklung. Am ehesten wohl mag die Bedeutsam-
keit und neue Schönheit seiner Sprachbehandlung Anerken-
nung finden. Dafs er mit stets feiner und sicherer werdendem
Gefühl die Klangfarbe seiner Verse bis zu fast begrifflicher
Deutlichkeit steigerte, den Reimschatz unsrer Sprache unter
fast völliger Vermeidung ungenauer Gleichklänge bereicherte,
das hat die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt und ihm Nach-
folger geworben, deren manche zwar die schöne, be-
ziehungsreiche Form im Sinn eines mifsverstandenen Kanons
formalistisch erstarren liefsen. Sie empfanden nicht, wie
seine von früh auf sehr ebenmäfsig gebauten Strophen durch
eine überraschend reiche, wechselvolle Rhythmik belebt
werden, und wie er der freilich freie Rhythmen als „weifse
€ 231 3
STEFAN GEORGE
ZUM ERSCHEINEN DER OEFFENTLICHEN AUSGABE SEINER WERKE
Die seele des künstlers selbst muss schön sein; denn in ihr ist das ewige Urbild das er
nicht schaffen kann und das werk das er mit fleiss und besonnenheit im vergänglichen Stoffe
hervorbringt, eins und dasselbe.
Erst in ihren ewigen geschöpfen erkennt die künstlerseele die eigne Vollkommenheit und
ewigkeit, und indem sie dieselben hervortretend anschaut, wird sie zugleich in ihnen sich ihrer
selber bewusst.
So ward denn die person des künstlers, insofern sie den gemeinen Verhältnissen angehört
vor dem Schönen vernichtet; nur um dieses war es ihm zu thun, nicht um sein eigenes gefühl
dabei, welches so ganz in das werk überging dass es nicht davon geschieden werden konnte.
Drei Aussprüche Solger's.
Eine Geschichte des Kunstgeschmackes würde für diese
Zeit eine ungeheure Ueberschätzung der Skizze, des Unfertigen
Angedeuteten, in der Seele des Schaffenden selber erst Er-
dämmerten zu verzeichnen haben. Soviel von einsamem
Ringen, Entsagung, Eigenart auch die Rede ist, so scheint
doch das Verständnis für den "Wert der Meisterschaft, der
mühevoll erworbenen Beherrschung immer mehr zu schwin-
den. Anselm Feuerbach, der nie genugsam zu preisende,
ist einer Zeit erlegen, die auf allen andren Lebensgebieten
fruchtbringender, zielsicherer Arbeit den Tugendpreis erteilt;
Stefan George, dem Dichter „ein Stilist in einer Zeit der
Stillosigkeit", wird der Vorwurf nicht mangeln, dafs seine
ausgereiften, strenggefügten, klaren Bücher die Seele unsrer
Zeit, ihre Wunden und purpurnen Seligkeiten doch nicht
offenbarten. Denn er ist kein Mystiker, kein Stifter neuer
Religion, kein hell-dunkler Zauberer, und seine "Werke zeigen
eine zum Einfachen, Ungeschmückten, Strengen fortschrei-
tende Entwicklung. Am ehesten wohl mag die Bedeutsam-
keit und neue Schönheit seiner Sprachbehandlung Anerken-
nung finden. Dafs er mit stets feiner und sicherer werdendem
Gefühl die Klangfarbe seiner Verse bis zu fast begrifflicher
Deutlichkeit steigerte, den Reimschatz unsrer Sprache unter
fast völliger Vermeidung ungenauer Gleichklänge bereicherte,
das hat die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt und ihm Nach-
folger geworben, deren manche zwar die schöne, be-
ziehungsreiche Form im Sinn eines mifsverstandenen Kanons
formalistisch erstarren liefsen. Sie empfanden nicht, wie
seine von früh auf sehr ebenmäfsig gebauten Strophen durch
eine überraschend reiche, wechselvolle Rhythmik belebt
werden, und wie er der freilich freie Rhythmen als „weifse
€ 231 3