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Originalrahmen wurden beseitigt und sämtliche Bilder, nach
Schinckels eigenen Entwürfen, in die gleiche Uniform ge-
steckt, nur einige Hauptstücke durch Achselklappen oder
ähnliche Abzeichen besonders ausgezeichnet. Der „Schinckel-
rahmen" zeigt ein formloses Wellenprofil, das die Wirkung
von Hohlkehle und Rundstab vereinigen sollte, dadurch aber
in Wahrheit die richtige Wirkung des Rahmens vollständig
aufhebt; als Verzierung sind dürftige Zinkpalmetten in den
Ecken und teilweise auch an den Seiten aufgesetzt und das
Ganze ist mit einem stumpfen, wie Bronze wirkenden Gold
versehen. Dieser Triumph des „Neograecismus" war nicht
von langer Dauer; die Neugotik der romantischen Zeit wufste
ihm eine erfolgreiche und würdige Konkurrenz zu machen,
indem sie auf den Holzrahmen von ähnlich charakterlosem
Profil bunte Musterchen in Stuck aufsetzte, die gotischem
Fenstermafswerk nachgebildet waren.

Nach der Mitte des Jahrhunderts begann mit einer
strengeren historischen Forschung auf dem Kunstgebiete die
Rückkehr zu älteren Formen, zu wirklichen Rahmenformen.
Zuerst, und zwar in Frankreich, zu den Galerierahmen, wie
sie die Zeit Ludwigs des XIV. und seiner Nachfolger aus-
gebildet hatte; später und daneben zu den sogenannten
italienischen Renaissancerahmen aus frei geschnitzten stili-
siertem Blattwerk. Aber wie man die einfachen Barockrahmen
nur zu oft durch mifsverstandenes und überwucherndes Orna-
ment, durch Herstellung desselben in Stuck und durch grelle
oder unechte Vergoldung verdarb, so nahm man für jene
angeblichen Renaissancerahmen mit frei gearbeitetem Blatt-
werk Spiegelrahmen der spätesten Verfallzeit zum Vorbild,
karrikierte sie durch Magerkeit und Spiefsigkeit der Schnitzerei
und verdarb die Wirkung jedes Bildes, an dem überhaupt
etwas zu verderben war, durch die „brillante" Politur des
Goldes.

Während auch die hervorragendsten Künstler in England
und Frankreich, selbst Koloristen und Stimmungsmaler wie
Constable, Millet, Rousseau, Troyon, sich fast regelmäfsig
noch mit solchem Machwerk behalfen, hatten einzelne,
namentlich Pariser Sammler alter Gemälde von hervorragen-
dem Wert, von denen manche noch ihre schönen Rahmen
des vorigen oder vorvorigen Jahrhunderts bewahrten und die
sehr viel vorteilhaftere Erscheinung deutlich zum Bewufstsein
brachten, ihre Bilder wieder allgemein mit alten Rahmen
oder getreuen Nachbildungen danach zu versehen gesucht.
Im Anschlufs daran, aber in eigenartiger Weise, begannen
vor etwa dreifsig Jahren verschiedene Maler, namentlich
Münchener, die meist selbst Sammler alter Gemälde waren,
alte Rahmen von malerisch wirkenden Profilen und fein ge-
stimmter Vergoldung zum Vorbild für die Rahmen ihrer
eigenen Bilder zu nehmen. Aber wie diese Künstler in ihren
Bildern nicht selten nachgedunkelte und verschmutzte alte
Gemälde mit herausgeputzten Köpfen nachahmen, so be-
streben sie sich in den Nachbildungen der alten Rahmen vor
allem auch den Schmutz wiederzugeben, indem sie die Ver-
goldung teilweise bis auf den roten Grund verputzen und
dann mit Beinschwarz, Bronze, Kaffeesatz und ähnlichen
Zaubermitteln dem Rahmen „den schönen alten Ton" zu
geben suchen. Andere Künstler sehen wir seit einigen Jahren
bestrebt, ihre Gemälde mit echten alten, einigermafsen passen-
den Rahmen zu versehen, ein Verfahren durch das der Vor-
rat an guten alten Rahmen freilich bald erschöpft werden

wird. Auch haben nur verhältnismäfsig Wenige Gelegenheit,
sich alte Rahmen zu verschaffen. Die Mehrzahl der Maler,
die eine Empfindung dafür haben, dafs nicht jedes beliebige
Profil und jede Vergoldung für jedwedes Bild pafst, begnügt
sich daher damit, bei einem Rahmenmacher ein oder ein
paar Modelle nach älteren Mustern auszuwählen und diese
abwechselnd für das eine oder andere ihrer Bilder zu benutzen.
Dadurch werden sie aber von den Rahmenmachern und Ver-
goldern abhängig, die nur selten gute Vorbilder benutzen, indem
sie diese modernisieren, d. h. entstellen, die Schnitzerei meist in
Stuck nachbilden und in der Vergoldung den schönen Ton der
alten Rahmen niemals erreichen, auch wenn sie denselben
direkt zu kopieren suchen. Die neueste Richtung unserer
Malerei hat eine, wenn auch bisher nur kleine Zahl von
Künstlern dahin geführt, ihre Rahmen selbst zu bemalen, ja
teilweise selbst zu schnitzen und die Vergoldung abzutönen,
um sie mit ihren Bildern in Einklang zu bringen. Es ist dies
zweifellos ein Weg, der zum Ziele führen kann. Aber in
diesem berechtigten Streben gehen Einzelne nicht selten zu
weit oder gar fehl, indem sie den Rahmen durch phantas-
tische bunte Ausschmückung eine zu grofse Bedeutung dem
Bilde gegenüber geben oder ihn zu sehr mit dem Bilde zu-
sammengehen lassen, wodurch er seine ursprüngliche Be-
deutung teilweise einbüfst.

Wie haben es denn die alten Meister mit ihren Rahmen
gehalten? Ich höre bei dieser etwas schulmeisterlichen Frage
die Künstler, wenn sich solche unter meine Leser verirrt
haben sollten, ärgerlich den Einwurf machen: nun soll uns
wieder einmal eingetrichtert werden, wie wir es zu machen
haben. Sie können unbesorgt weiter lesen, da ich weit da-
von entfernt bin, unsern Malern nach dieser Richtung, sowenig
wie nach einer andern, die alten Meister zur Nachahmung
aufdrängen zu wollen. Die Beantwortung jener Frage ist
aber nach verschiedenen Richtungen von Interesse: Zur Ver-
vollständigung des Verständnisses der Malerei der ver-
schiedenen Zeiten, zur Beantwortung der Frage, wie wir die
alten Gemälde in den öffentlichen Sammlungen rahmen sollen,
und aus allgemeinen kunsthistorischen und kunsttechnischen
Rücksichten. Allerdings wird auch der moderne Künstler in
den mannigfachen Lösungen, die die alten Meister für die
Frage gefunden haben, manche Anregung für sich finden,
durch die er seine „Eigenart", wenn er eine solche wirklich
besitzt, nicht beeinträchtigen sondern kräftigen wird.

Die Lust und den Mut an dieser Stelle eine Beantwortung
dieser Frage zu versuchen, nehme ich aus der langjährigen,
freilich nur beiläufigen Beschäftigung mit ihr, zu der mich
meine Stellung bei der Berliner Galerie veranlafst hat. Bei
der Einreihung neu erworbener unvorteilhaft oder gar nicht
gerahmter Bilder galt es die Entscheidung, wie sie zu rahmen
seien. Dafs im Schinckel-Rahmen für die Berliner Galerie ein
Normalrahmen gefunden sei, wie etwa im Pitti-Rahmen oder
im Dresdener-Rahmen, konnte ich so wenig anerkennen wie
mein Vorgänger. Ebensowenig konnte ich mich aber zu der
von diesem befolgten Nachbildung alter Rahmen in Stuck
und mit unechter Vergoldung entschliessen. Da mir nun von
vornherein im Kunsthandel in Italien wie in London und
Paris noch gute alte Originalrahmen aus den verschiedensten

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