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Panofsky, Erwin; Michelangelo; Michelangelo [Editor]
Handzeichnungen Michelangelos — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 34: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.50964#0025
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Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance hat
für den Begriff der Handzeichnung eine Reihe unter-
schiedlicher Termini geprägt: disegno, Studio, schizzo
und pensiero. Die Differenzierung des Ausdrucks ent-
spricht der Mannigfaltigkeit des Gegenstandes: die Zeich-
nung dient in der Regel zur Vorbereitung eines anderen
Kunstwerks — sei es nun Bauwerk, Plastik oder Bild —
und die Bedeutung, die den einzelnen Blättern innerhalb
dieses Vorbereitungsprozesses zukommt, kann äußerst
verschieden sein. Am Anfang steht im allgemeinen der
„Pensiero“, der erste Entwurf, der die Konzeption zu-
nächst im ganzen zu fixieren versucht, d. h. die Grundzüge
der Flächen- und Raumkomposition festlegt, und — in-
sofern es sich um die Vorbereitung eines Gemäldes han-
delt — auch das allgemeine Verhältnis der Darstellung
zur Bildgrenze bestimmt. Es folgt die,,Skizze“, in der der
Künstler sich über Einzelheiten, besonders über den Auf-
bau bestimmter Figuren oderFigurengruppen, deutlicher
Rechenschaft gibt, in der Regel aber noch ohne das
Motiv nach der Natur zu „studieren“; dies ist vielmehr,
wie schon der Name sagt, die Aufgabe der „Studie“,
die der inneren Anschauung die äußere zugesellt und
das in der Skizze fixierte Schema im Sinn der kon-
kreten Erfahrung durchbildet und abändert. Die Syn-
these endlich vollzieht sich im eigentlichen „disegno“,
der dem im ersten Entwurf gewissermaßen a priori for-
mulierten Gedanken nunmehr a posteriori auf Grund
der Skizzen und Studien seine endgültige Gestalt gibt, und
der (wie übrigens in manchen Fällen auch die „Studie“)
schließlich zu der Bedeutung eines auch im Sinne der
Renaissancetheorie ganz selbständigen Kunstwerks em-
porwachsen kann, das nicht mehr als die letzte Durch-
gangsphase, sondern als das Endergebnis des künstle-
rischen Prozesses sich darstellt.
Es ist für die Absichten eines Künstlers durchaus
charakteristisch, in welchem Verhältnis sich seine Zeich-

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